Der chinesische Hafeneinstieg in Hamburg wird völlig überhöht dargestellt, sagt SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. Foto: dpa/Michael Kappeler

Keiner versteht, warum Kanzler Scholz sich so sehr für den chinesischen Einstieg im Hamburger Hafen einsetzt. Hat er nichts aus dem Russland-Debakel gelernt? Doch sagt der SPD-Generalsekretär bei Markus Lanz – und verteidigt seinen Chef.

Die beiden Koalitionspartner in der Ampel wollen es nicht, sechs Fachminister warnen, die Nachrichtendienste bremsen und sogar der Bundespräsident hat schwere Bedenken. Der von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) befürwortete chinesische Einstieg im Hamburger Hafen stößt allerorten auf Kritik. Warum hält der Kanzler trotzdem unbeirrt daran fest? Für Markus Lanz ist klar: Das kann nur Kevin Kühnert erklären. Das tat der SPD-Generalsekretär in seiner ZDF-Sendung dann auch gewohnt schnoddrig, aber nicht immer überzeugend.

Denn eigentlich, so eröffnete Lanz, habe man sich nach dem Gasfiasko doch geschworen, sich nie wieder in Abhängigkeit eines einzelnen Staates zu begeben, noch dazu wenn er wie China undemokratisch regiert werde. In guten Zeiten sei das gewiss kein Problem, meinte auch Julia Löhr, Redakteurin bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ). Doch die Welt habe sich verändert. „Wir sind deutlich stärker abhängig von China als umgekehrt.“ Zudem reduziere China seine Abhängigkeit sogar und schotte sich ab. Deutschland hingegen verliere die Kontrolle.

Kühnert sieht keine Analogie

Kühnert räumte das alles ein. Es sei die „klare Lehre“ dieses Jahres, dass man sich nicht erneut in einseitige Abhängigkeiten begeben dürfe. Und ja, „wir haben ein enormes Handelsvolumen mit China“, was wegen der daraus entstehenden Abhängigkeit eine Gefahr darstelle. Dann aber relativierte er: „Im vorliegenden Fall reden wir aber über etwas ganz anderes.“ Die von Lanz diagnostizierte Analogie zum Verkauf der Gasspeicher an Russland – „kritische Infrastruktur“ – sah er nicht. Dass das überhaupt Thema jetzt aufkomme, sei eher innenpolitisch motiviert. Es sei von interessierter Seite durchgestochen worden.

Es gehe bei dem angestrebten Deal ja um gerade mal 65 Millionen Euro, mit denen sich der chinesische Staatskonzern Cosco eine 35-Prozent-Beteiligung an einem von vier Terminals im Hamburger Hafen sichern wolle. „Wir dürften da nicht in Aktionismus verfallen. Das wäre eine völlige Überhöhung der Frage.“ Dass die europäischen Partner nun ebenfalls unter den Mahnern und Warnern seien, sei im Übrigen durchsichtig. Denn in Rotterdam, Antwerpen oder gar Piräus und auch in mehreren französischen Häfen habe Cosco eine noch viel höhere Beteiligung. Da gehe es eben auch um Marktanteile am Chinahandel.

Wo will Deutschland eigentlich hin?

Allerdings: in den anderen Häfen erfolgte der chinesische Einstieg schon vor dem 25. Februar und dem russischen Angriff auf die Ukraine. In Piräus ließen die Europäer die Griechen gar allein und überließen damit den Chinesen mutwillig das Feld. „Die Welt hat sich verändert“, sagte Löhr. Und auch der ebenfalls in der Runde mitdiskutierende Potsdamer Militärhistoriker Sönke Neitzel zeigte kein Verständnis. „Für uns Bürger ist das ein Problem.“ Den Rat von Experten aus sechs Ministerien dürfe man doch nicht so einfach in den Wind schlagen.

Für Neitzel ist klar: „Wir haben kein Erkenntnisdefizit, sondern ein Umsetzungsdefizit.“ Oder anders ausgedrückt: Alle sind sich zwar einig, dass sich Deutschland von der chinesischen Abhängigkeit lösen möchte, doch man geht munter den Weg weiter. Zwar hat Kühnert hat Recht, wenn er sagt, die Frage des Cosco-Einstiegs in ein Hafenterminal verändere die Abhängigkeit nicht wesentlich. Aber sie verbessert eben auch nichts und ist kein Zeichen, dass die deutsche Politik wirklich etwas gelernt hat, wie Neitzel kritisierte. „Wir müssen uns langsam entscheiden, wo wollen wir hin“, sagte Löhr.