Frankreichs Präsident findet für China viele lobende Worte und stößt damit in der EU auf großes Unverständnis. Foto: dpa/Stephanie Lecocq

Die EU versucht, angesichts des Machtstrebens Chinas eine gemeinsame Linie zu finden. Deutlich werden dabei vor allem die Schwächen der Union.

In Sachen China leistet Europa einen Offenbarungseid. Mit erbarmungsloser Deutlichkeit werden für alle Welt die fundamentalen Defizite der EU-Außenpolitik sichtbar. „Wir funktionieren wie ein vielstimmiger Chor“, suchte Josep Borrell am Dienstag nach einem Sprachbild, um in einer Grundsatzrede vor dem Europaparlament die Situation zu beschreiben – um dann fast flehentlich zu ergänzen, dass sich in dieser Situation jeder bemühen sollte, nach derselben Melodie zu singen.

Mit dieser süffisanten Bemerkung bezog sich der Chef der EU-Außenpolitik auf den gemeinsamen Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und der EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen dieser Tage in Peking, der in einem veritablen diplomatischen Fiasko endete. Während die Deutsche ungewöhnlich offen Chinas Defizite in Sachen Menschenrechte und Demokratie ansprach, hofierte der Franzose mit warmen Worten das Regime in Peking.

Herbe Kritik an Emmanuel Macron

„Die Reise hat die Zerstrittenheit Europas vorgeführt“, resümierte auch Manfred Weber, Fraktionsvorsitzer der konservativen EVP-Fraktion, am Dienstag in Straßburg, wo zumindest die grobe Marschrichtung der EU im Bezug auf China abgesteckt werden sollte. Der Auftritt Macrons habe ihn geradezu geschockt, sagte der CSU-Politiker. Frankreichs Präsident habe mit seinem Auftreten Europa gespalten. Gerade in Zeiten eines Krieges mitten in Europa müsse die Union geeint auftreten. Offensichtlich wurde am Dienstag im Parlament die Enttäuschung vieler Abgeordnete, wie schnell die anfängliche große Einheit Europas nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine nun schon wieder verflogen ist.

Ebenso überrascht scheinen viele EU-Parlamentarier, wie konsequent Peking den Krieg für den Ausbau der eigenen Macht nutzt, was auch das Verhältnis Europas zu China grundlegend verändert. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen konstatierte am Dienstag in ihrer Grundsatzrede vor dem Europaparlament, dass in China die Epoche der Öffnung und Reformen vorüber sei. Nun beginne eine „neue Ära der Sicherheit und der Kontrolle“. Ziel des Regimes sei der systemische Wandel der internationalen Ordnung, in deren Mittelpunkt China stehe. Das habe direkte Konsequenzen für den Westen, der sich längst mit Peking in einem Wettbewerb um Macht und Einfluss befinde.

Kein totaler Bruch mit China

Den Forderungen, die Verbindungen zu China zu unterbrechen, erteilte Ursula von der Leyen jedoch eine Absage. Angesichts der engen wirtschaftlichen und politischen Verflechtungen sei das unmöglich, allerdings müsse eine Risikominderung angestrebt werden. Das gelte vor allem für die wirtschaftliche Abgängigkeit Europas von China. „Es ist dringend erforderlich, unsere Beziehungen auf der Grundlage von Transparenz, Vorhersehbarkeit und Gegenseitigkeit neu auszutarieren,“ sagte sie in Straßburg. In Schlüsselbereichen wie dem Energie- und Gesundheitssektor, aber auch in der eigenen Verteidigung müsse Europa widerstandsfähiger werden. Dazu gehört nach den Worten Ursula von der Leyens auch, die Wettbewerbsfähigkeit der EU in zukunftsträchtigen Feldern gezielt zu fördern.