Die Geschäfte mit China laufen komplett anders ab als solche in der westlichen Welt. Dieser und andere Faktoren stellen den Esslinger Automobilzulieferer Eberspächer vor Herausforderungen. Wie geht es mit dem Unternehmen weiter?
Im Februar wird ein neuer Bundestag gewählt. Das heißt Wahlkampf, und Wahlkampf bedeutet auch, Wunschzettel bei Politikern und Parteien zu hinterlassen. Auch der Esslinger Automobilzulieferer Eberspächer hat klare Vorstellungen darüber, was sich ändern sollte, um Unternehmen weltweit wettbewerbsfähiger zu machen. Im Interview geben die beiden Geschäftsführer Martin Peters und Jörg Steins außerdem Einblicke, wie sie den Zweikampf zwischen Verbrennern und Elektroautos sehen, wie die Geschäfte mit China laufen, und was sich grundsätzlich seit den Coronajahren in der Arbeitswelt geändert hat.
Die Eberspächer-Gruppe hat ihre Geschäftsführung neu organisiert. Es gibt jetzt eine Doppelspitze. Was ist der Hintergrund?
Peters: Wir wollen schneller werden. Auf der obersten Ebene Verantwortung bündeln. Damit stellen wir unsere Organisation wesentlich schlanker auf. Auf der obersten Ebene sind wir nicht mehr fünf Personen, sondern nur noch vier.
Schneller und schlanker – wozu? Was sind derzeit die größten Herausforderungen für Eberspächer?
Steins: Die größte Herausforderung lautet, sich immer wieder auf wechselnde Marktbedingungen einzulassen und anzupassen. Vor einigen Jahren gab es noch feste Planungsperioden von vier bis fünf Jahren.
Für uns ist es jetzt enorm wichtig, dass wir mit den chinesischen Herstellern ins Geschäft kommen. Dort gelten aber ganz andere Geschäftsmodelle, ganz andere Anforderungen, ganz andere Geschwindigkeiten sowohl in der Entwicklung als auch im gesamten Anfrageprozess.
Können Sie das konkreter machen?
Peters: Wenn wir über Entwicklungszyklen nachdenken, sind das in der Automobilindustrie der Vergangenheit typischerweise zwei bis drei Jahre von der Initiierung bis zum ersten Produkt. Die Chinesen haben die Erwartung, dass wir in vier bis sechs Monaten das Produkt fertig haben.
Steins: Und das ist im gesamten Geschäftsumfeld so. Sie bekommen in der Nacht eine Anfrage und zwölf Stunden später müssen sie die beantworten, ansonsten sind sie raus.
Die Bedingungen haben sich also komplett geändert?
Peters: Ich glaube, in den letzten 50 Jahren hat sich nichts Vergleichbares abgespielt. Wir müssen aber veränderungsbereit sein. Der Markt wird sich nicht an uns anpassen. Wir müssen uns an den Markt anpassen.
Ist das schleichend passiert oder gibt es einen Punkt, an dem sich alles änderte?
Peters: Ich glaube, der Kipppunkt kam mit der Einführung des batteriebetriebenen Fahrzeugs. Die westlichen Hersteller, vor allem auch deutsche Marken, haben ja bis dahin sehr erfolgreich Verbrenner in China verkauft. Mit der Transformation zur Elektromobilität ändert sich das und es zeigt sich, dass die Chinesen gerade bei diesen Produkten uns ein Stück voraus sind.
Steins: Die große Überraschung kam nach Corona. Wir hatten gar nicht auf dem Radar, was da alles passierte. China hatte sich ja extrem abgeschottet und in dieser Zeit die Elektromobilität vorangebracht. Und wir haben in der Zeit nur auf Tesla geschaut.
Wie reagieren Sie auf diese Veränderungen, was die Abgastechnik betrifft?
Steins: Wir fahren die Abgastechniksparte unverändert weiter. Wir glauben schon, dass der Markt noch länger läuft, als man das vor ein, zwei Jahren gedacht hat.
Heißt das, der Abgesang auf den Verbrenner kam zu früh?
Steins: Man hätte es nie so schwarz-weiß sehen dürfen, wie es lange Zeit gesehen wurde. Man darf aber jetzt auch nicht denselben Fehler machen und sagen, Elektromobilität wird keine Chance haben. Ich glaube, es wird beides eine gewisse Zeit lang parallel geben. Aber wenn man wirklich das Thema CO2-Neutralität im Verkehrswesen umsetzen will, kommt man an Elektromobilität gar nicht vorbei. Es gibt für beide Existenzberechtigungen, die Elektromobilität wird sich jedoch langfristig in Pkw-Anwendungen durchsetzen.
Kommen wir zu den politischen Rahmenbedingungen. Jetzt ist ja die Zeit, Forderungen an eine künftige Bundesregierung zu stellen, wie auch immer die aussieht. Was sind Ihre wichtigsten Forderungen an die Politik?
Peters: Wir brauchen klare Entscheidungen und eine Technologieoffenheit. Die Politik muss über Grenzwerte steuern und lenken, aber nicht über das Thema Technologie. Dann das Thema Bürokratie: Es gibt eine ganze Liste an Normen, die uns heute im Unternehmen ganz konkret belasten, wo wir Aufwand haben, ohne dass ein Nutzen dagegen steht.
Steins: Wichtig ist auch das Thema Digitalisierung. Wenn Sie sich angucken, wo Deutschland im internationalen Vergleich steht, dann ist das schon erschreckend für eine führende Industrienation.
Haben Sie die Hoffnung, dass diese Themen in der Politik ankommen?
Peters: Ich glaube, dass Politik und Verwaltung verstehen, wo die Probleme liegen. Aber das System hat eine Eigendynamik. Vermutlich funktioniert es nur über einen Leidensdruck.
Steins: Wir brauchen von der Politik sehr viel mehr Klarheit darüber, wo wir stehen. Ich habe immer das Gefühl, man traut der eigenen Bevölkerung nicht so viel zu. Man verklausuliert das immer so schön. Das stellt generell die Glaubwürdigkeit der Politik in Frage.
Peters: Trauen wir uns zu, den Menschen zu sagen, dass die aktuelle Entwicklung zu Wohlstandsverlusten führt? Ich bin fest davon überzeugt, dass das so sein wird. Das einfache Zuschütten von Problemen mit Geld funktioniert nicht mehr.
Sie sehen also einen großen Veränderungsbedarf in der Politik. Gilt das auch für die Gesellschaft insgesamt?
Peters: Wir haben in der Vergangenheit viel über Work-Life-Balance gesprochen, über das Reduzieren von Arbeitszeit, über Mobile Office, über Freizeitoptimierung. Nun müssen wir als Erkenntnis festhalten, dass unsere Effizienz in dieser Zeit gelitten hat. Wir sind schlechter geworden. Auch da müssen wir uns ehrlich machen. Wir werden mehr arbeiten müssen am Standort Deutschland, auch am Standort Esslingen.
Zum Schluss: Was bedeutet Esslingen für Eberspächer und Eberspächer für Esslingen?
Peters: Wir sind jetzt seit 160 Jahren in Esslingen und haben uns immer wieder angepasst. Wir haben in der Vergangenheit immer gesagt: Das Herz schlägt von Esslingen aus. Das soll sich auch nicht verändern. Das gibt es aber nicht umsonst. Wir müssen uns das immer wieder erarbeiten. Das ist jetzt die Herausforderung, uns wettbewerbsfähig aufzustellen, damit wir in Esslingen weiter investieren und von hier aus das Geschäft in die ganze Welt hinein lenken können. Dafür müssen wir an allen Ecken und Enden Kosten einsparen.
Was bedeutet das Reduzieren von Kosten für die Belegschaft?
Peters: Wir hoffen, dass das ohne betriebsbedingte Kündigungen geht. Gerade in einem Familienunternehmen muss das das oberste Ziel sein. Deshalb ringen wir um Lösungen.
Die Gruppe und ihre Geschäftsführer
Das Unternehmen
Das Familienunternehmen Eberspächer zählt zu den weltweit führenden Systementwicklern und -lieferanten für Abgastechnik und Thermomanagement-Lösungen und ist zudem Innovationspartner der Automobilindustrie bei Fahrzeugelektronik und Klimasystemen für Sonderfahrzeuge.
Standorte
Die Gruppe ist international aufgestellt und verfügt über mehr als 40 Produktionsstätten weltweit. In der Abgastechnik ist Eberspächer außer in Deutschland auch in vielen anderen europäischen Ländern präsent, unter anderem in Frankreich, Großbritannien, Italien und Österreich. Zudem gibt es Werke in Asien, Amerika und Afrika.
Die Verantwortlichen
Martin Peters ist Geschäftsführender Gesellschafter und konzentriert sich auf die Themen Kommunikation und Strategie. Jörg Steins verantwortet als CEO das operative Geschäft der gesamten Unternehmensgruppe. Ebenfalls in der Geschäftsführung sind zurzeit Stephan Knuppertz und Uwe Johnen.