Derbe Darstellungen umrahmen einen Dosenwurfstand. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Kulissen auf dem Frühlingsfest in Bad Cannstatt sind in den Fokus geraten. Sie seien sexistisch und diskriminierend, meinen nicht nur die Grünen im Gemeinderat und fordern deren sofortige Entfernung.

Die Tagesordnung des Internationalen Ausschusses war schon beim Punkt „Verschiedenes“ angekommen, als die Diskussion trotz vorgerückter Stunde äußerst lebhaft wurde. Maria Tramountani, sachkundiges Mitglied des Gremiums, hatte sich gemeldet und „sexistische Darstellungen auf dem Frühlingsfest“ moniert. Unter anderem seien „nackte Frauen und orientalisierte Frauen“ an den Buden der Schausteller zu sehen. Ihres Wissens nach sei das aber seit 2020 verboten.

Klischeehafte Darstellungen

Die Grünen-Stadträtin Jitka Sklenářová kannte die Beschwerde bereits. „Wir sind auf die Abteilung für Individuelle Chancengleichheit zugegangen mit der Bitte, das Thema mit Wirtschaftsbürgermeister Thomas Fuhrmann und in.Stuttgart zu besprechen.“ Der SPD-Stadtrat Stefan Conzelmann, Mitglied im Aufsichtsrat der städtischen Veranstaltungsgesellschaft, sagt: „Die Vereinbarung war in Bezug aufs Historische Volksfest getroffen worden. In diesem Fall muss sich die Geschäftsführung neu positionieren.“

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Unter anderem die Kulisse eines bayerisch verbrämten Standes hatte die Aufmerksamkeit erregt. Darauf ist in naiv-reißerischer, derber Darstellung eine Fensterszene abgebildet sowie ein Voyeur, der Freude daran hat, dass ein Huftier einer Frau die Kleider vom Leib reißt. Kritisch werden auch Fronten betrachtet, wo die Kulissenmaler eine Blondine in aufreizender Pose zeigen oder beispielsweise eine Frau, dargestellt als arabische erotische Tänzerin, die mit blanker Brust um die Gunst der Kundschaft wirbt.

Die Darstellung einer Bauchtänzerin wollte der CDU-Stadtrat Ioannis Sakkaros in der Sitzung des Internationalen Ausschusses aber nicht als „orientalisierte Frau“ verteufelt sehen. „Bauchtanz hat ja eine gewisse Kultur. Sich also über eine orientalische Tänzerin, die bauchfrei dargestellt wird, zu beschweren, halte ich für übertrieben.“ Allerdings ist die Brust der Figur kaum verhüllt.

Verbot beantragt

Die Grünen haben „die sofortige Entfernung aller diskriminierenden Abbildungen an den Ständen des Stuttgarter Frühlingsfests“ beantragt. Der Antrag wird die Diskussion darum entfachen, ob man betagte Kulissen, die schon in den 1960er Jahren gegen jeden guten Geschmack verstoßen haben, heute noch ertragen muss. Im Rathaus wird derzeit beraten, wie man mit dem Antrag der Grünen umgehen wird: Entweder man diskutiert im Wirtschaftsausschuss des Gemeinderats darüber und fasst dort einen Beschluss, oder die Stadtverwaltung nimmt schriftlich zu dem Antrag Stellung, sagte am Montag ein Pressesprecher der Stadt.

Andreas Kroll, Geschäftsführer von in.Stuttgart, wird am Freitag die Stadträte des Wirtschaftsausschusses über den Wasen führen und dabei das Thema mit all seinen Facetten ansprechen. Man werde auch Kontakt mit den Schaustellern aufnehmen und den Dialog suchen. Nicht nur er fragt sich aber, wie man dies in ein Regelwerk fassen will, das ja auch vor Gericht stand halten muss. Nun hätten die Schausteller nach zwei Jahren ohne Verdienst womöglich aber gar keine finanzielle Möglichkeit, ihre Geschäfte auf die Schnelle umzugestalten, auch das müsse man bedenken.

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Die Diskussion um sexistische, herabwürdigende Motive hat es in Stuttgart zuletzt 2020 gegeben, damals um Werbeplakate und ums Volksfest. Die Grünen und die Fraktion haben verlangt, dass Werbung auf städtischen Flächen und bei Veranstaltungen keinen Platz mehr haben soll, wenn sie Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihres Glaubens, ihrer politischen Anschauung, ihres Alters, ihrer Behinderung, ihrer Herkunft, ihrer Sprache, aufgrund rassistischer Zuschreibungen oder ihrer Zugehörigkeit zu einer Berufsgruppe diskriminiert.

Auf lange Sicht ist eine Werbe-Watchgroup geplant, die anhand definierter Kriterien beurteilen soll, ob eine bestimmte Werbung diskriminierend ist und daher untersagt werden soll.