Wenn es nach Michael Tizzano geht, sollen hier bald rund 1000 Hanfpflanzen wachsen. Vorher muss aber der Boden komplett umgepflügt werden. Foto: Emanuel Hege

Das Geschäft mit der Hanfpflanze kommt langsam ins Rollen, eine Gruppe um den Ludwigsburger Michael Tizzano baut die wohl erste Hanfplantage im Landkreis. Die Unsicherheiten sind groß – und ein Anwalt warnt.

Zweimal dreht Michael Tizzano den Schlüssel in dem eisernen Schloss herum, mit einem Quietschen öffnet sich das Tor zu einer alten Gärtnerei. Es geht vorbei an Kulturtischen mit Krokussen und Orchideen in ein großes, leerstehendes Gewächshaus. Die Luft ist feucht und zwischen den Steinplatten bahnt sich hier und da Unkraut seinen Weg. In den Ecken stehen ungenutzte Gartengeräte, die Erdfläche ist trocken und zusammengepresst – nur der Rhythmus mehrerer Sprinkleranlagen verrät, dass hier etwas vorangeht.

Das Gewächshaus im Nordosten des Landkreises Ludwigsburg könnte die erste Anbaufläche für legales Cannabis in der Region werden. Michael Tizzano wollte mit seinen Mitstreitern eigentlich noch in diesem Jahr ernten, doch der Anbau verschiebt sich. Ein genauer Blick zeigt, wie kompliziert der Cannabis-Anbau ist, und ein Ludwigsburger Anwalt warnt vor rechtlichen Stolperfallen.

Mietkosten und Standort der Hanfplantage bleiben geheim

Der Ludwigsburger Michael Tizzano leitet eigentlich eine IT-Dienstleistungsfirma, beschäftigt sich aber seit rund 15 Jahren auch mit dem Thema Cannabis. Das Interesse weckten vor allem USA-Besuche, wo er den legalen Umgang mit der Droge und Menschen kennenlernte, die eine Profession um das Gras aufgebaut haben. Einige Bekanntschaften aus den USA werden ihn nun auch beim Anbau und dem Betrieb in Deutschland unterstützen, sagt Tizzano.

Als sich die Cannabis-Legalisierung im vergangenen Jahr auch in Deutschland anbahnte, habe er sich mit seiner Mitstreiterin Mirjam Kirschmann direkt auf die Suche nach einer Anbaufläche gemacht, sagt Tizzano. Nach einigen vergeblichen Versuchen kamen sie mit einem Gartenbauer – irgendwo zwischen Heilbronn und Bietigheim-Bissingen – ins Geschäft, der seine Gärtnerei verkleinern und Flächen abgeben wollte.

Wie viel die Gemeinschaft an Miete zahlt, will Tizzano nicht preisgeben. Auch der genaue Standort der zukünftigen Plantage müsse geheim bleiben. Über anderes kommuniziert Tizzano derweil offen: In den vergangenen Monaten wurden auf 1000 Quadratmetern Bodenplatten und Folien herausgerissen, um an die ursprüngliche Erde zu gelangen. „Die wollen wir in den nächsten Monaten reaktivieren“, sagt Tizzano.

Beschwerlicher Weg zum Anbau von legalem Cannabis

Sie wollen die Hanfpflanzen nachhaltig anbauen. „Wir arbeiten mit dem, was wir vorfinden“, sagt Tizzano. Jede Pflanze soll rund einen Quadratmeter Platz bekommen, deutlich mehr als in den gängigen Indoor-Grow-Anlagen, bei denen die Hanfpflanzen in Anbauzelten auf engem Raum und mit künstlichem Licht heranwachsen.

Früher wurde Gras noch von der Polizei beschlagnahmt, heute zeugen Bilder wie dieses von Unternehmergeist. Foto: dpa/Daniel Karmann

Vor einigen Wochen habe er noch daran geglaubt, dass die erste Ernte in diesem Jahr eingeholt werden könnte, sagt Tizzano. Doch unter anderem aufwendige Gespräche mit dem Bauamt halten die Gruppe derzeit auf. Grundsätzlich ist der Weg zum legalen Anbau von Cannabis beschwerlich. 53 Anträge seien bereits eingegangen, informiert die Pressestelle des zuständigen Regierungspräsidiums Freiburg. Kein einziger Antrag konnte fertig bearbeitet werden, es brauche immer wieder Rücksprachen mit den Antragstellern.

Konsequenzen für kleinste Fehler beim Cannabis-Anbau

Um einen legalen Anbau genehmigt zu bekommen, müssen die Gemeinschaften unter anderem Maßnahmen gegen Geruchsbelästigung vorweisen, zudem Angaben zu den Cannabissorten und der Trocknungsmethode machen. Informationen, die die Anbaugemeinschaften bei Antragstellung meist noch gar nicht wissen. Zudem braucht es ein Jugendschutz-, Gesundheits- und Sicherheitskonzept – wie genau diese aussehen sollen, ist nicht bestimmt. „Die erforderlichen Konzepte so aufzustellen, dass sie umfassend tragfähig und in sich schlüssig sind, ist eine durchaus komplexe Aufgabe“, sagt auch die Pressesprecherin des Regierungspräsidiums.

Diese Unklarheiten rund um den Anbau sind vor allem aus juristischer Sicht bedenklich, sagt Alexander Knecht. Regelmäßig vertritt der Anwalt aus Ludwigsburg Gelegenheitskonsumenten vor Gericht und kennt sich mit der Gesetzeslage bestens aus. Laut Knecht begeben sich Anbaugemeinschaften aktuell ins Risiko, kleinste Fehler könnten rechtliche Konsequenzen haben.

Anwalt: Gesetz zur Cannabis-Legalisierung hat „handwerkliche Fehler“

Beispiel Sicherheitskonzept. Angenommen, jemand bricht trotz der Zäune und der Schlösser in eine Plantage ein und stiehlt Cannabis: Die Vorstände könnten dann haften, sagt Knecht. Zweites Beispiel Weiterverkauf: Angenommen, Mitglieder verkaufen ihr legales Gras auf illegalem Wege weiter. Machen sich die Vorstände dann strafbar? Es gebe Dutzende dieser Unsicherheiten, warnt Knecht. Der Anwalt begrüßt zwar die Legalisierung. „Das Gesetz wurde aber mit heißer Nadel gestrickt und hat handwerkliche Fehler. Das ist für niemanden gut, nicht für uns Juristen, aber auch nicht für die Menschen, die legal anbauen wollen.“

Obwohl auch er die Unsicherheit spürt, ist Michael Tizzano bisher zufrieden mit der Legalisierung. Es sei ein kompliziertes Konstrukt, das aber einfachen Bürgern die Möglichkeit gibt, daran teilzuhaben. „Die Bundesregierung hätte den Markt auch einfach für große Unternehmen öffnen können und hat sich stattdessen für die Anbaugemeinschaften entschieden – das finde ich gut.“ Es sei Pionierarbeit, durch die man jetzt eben durchmüsse, sagt Tizzano.

Kiffen am Steuer

Neuer Wert
Seit einigen Wochen gilt ein neuer Grenzwert für Cannabis-Konsum im Straßenverkehr. Wer am Steuer sitzt, darf 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter im Blutserum haben. Bislang galt der Wert von 1,0 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum. Der neue Richtwert beim THC ist laut der Expertenkommission vom Risiko vergleichbar mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille.

Kontrollen
Die Polizei soll vor allem Speicheltests für sogenannte Vorscreenings nutzen, um den Grenzwert zu kontrollieren. Der Grund: Bei Konsumenten, die regelmäßig Cannabisprodukte rauchen oder essen, kann der Wert bei Bluttests höher liegen als 3,5 Nanogramm. Mit den Speicheltests soll gewährleistet werden, dass nur der aktuelle Konsum gemessen wird.