Nach der Insolvenz des Busherstellers van Hool gerät die Neuvergabe der Elektrohybridbusse in Esslingen zur Grundsatzentscheidung. Manche liebäugeln mit einer Neuausrichtung, andere nicht. Das sind die Argumente.
Eigentlich ist die Entscheidung längst gefallen: Vor Jahren hat der Esslinger Gemeinderat beschlossen, den städtischen Busverkehr komplett auf batterieergänzte Oberleitungsbusse umzustellen. Doch weil der mit dem Bau der neuen Elektrohybridbusse beauftragte Bushersteller van Hool insolvent ist, muss der Auftrag an einen anderen Produzenten vergeben werden. Für einige im Gemeinderat ist das Anlass, die Umstellung noch einmal grundsätzlich zu überdenken. Die Verwaltung empfiehlt, am ursprünglichen Beschluss festzuhalten. Am Montag wird das Thema im Ausschuss für Bauen, Mobilität und Klimaschutz beraten.
Was gilt bislang? 2017 hatte der Esslinger Gemeinderat mit knapper Mehrheit beschlossen, den städtischen Busverkehr schnellstmöglich rein elektrisch zu betreiben. Zwei Jahre später fiel die Entscheidung für einen stufenweisen Ausbau der Oberleitungen, um das gesamte Stadtgebiet mit batterieergänzten Oberleitungsbussen erreichen zu können. 2020 erfolgte dann der Beschluss, dass der gesamte Busverkehr vom Städtischen Verkehrsbetrieb bedient werden soll – bis dato hatten private Busunternehmen ein Drittel des Nahverkehrs übernommen. Im Jahr 2022 wurde dann die Vergabe des Auftrags zur Herstellung von 46 Batterie-Oberleitungsbussen an die belgische Firma van Hool vergeben.
Wie weit ist der Ausbau der Oberleitung? Insgesamt sollen rund fünf Kilometer neue Oberleitungen gespannt werden, um das gesamte Stadtgebiet mit O-Bussen bedienen zu können – das entspricht etwa 15 Prozent der bisherigen Oberleitungsstrecke. Laut dem Ersten Bürgermeister Ingo Rust, der auch für den Esslinger Busverkehr zuständig ist, ist der Ausbau in der Pliensauvorstadt inzwischen abgeschlossen. In weiteren Schritten soll die Lücke am Altstadtring geschlossen und die Achse über die Mülbergerstraße in den Esslinger Norden mit Oberleitungen ausgestattet werden, ebenso wie eine kurze Strecke auf dem Zollberg.
Welche Optionen gibt es? Laut Stadtverwaltung und Städtischem Verkehrsbetrieb (SVE) gibt es theoretisch vier verschiedene Szenarien für die Zukunft des städtischen Nahverkehrs. So wäre neben einem hundert Prozent elektromobilen Busverkehr mit Oberleitungsbussen auch eine Elektrobusflotte denkbar, die ausschließlich aus reinen Batteriebussen besteht. Auch ein Mix aus reinen Batteriebussen und Oberleitungsbussen wäre theoretisch eine Option – dann würde man den Ausbau der Oberleitungen auf die Pliensauvorstadt und den Zollberg beschränken und die über O-Busse nicht erreichbaren Ziele mit Batteriebussen anfahren. Als vierte Möglichkeit könnte nur die absolut notwendige Anzahl an emissionsfreien Fahrzeugen beschafft werden, die zusätzlich benötigten Fahrzeuge wären dann Dieselbusse.
Welches Szenario bevorzugt die Stadt? Die Stadtverwaltung legt sich fest: Sie empfiehlt klar die bislang verfolgte Umstellung auf batterieergänzte Oberleitungsbusse und den damit verbundenen Ausbau des Oberleitungsnetzes. Als Hauptgründe führt sie an, dass es sich dabei um eine bewährte Technologie handele, die seit Jahrzehnten in Esslingen im Einsatz sei und die die Vorteile des Ladens während der Fahrt mit den Vorteilen der Batterietechnologie vereine. Zudem sei die Ladeinfrastruktur für dieses Szenario bereits größtenteils vorhanden und man habe bereits eine feste Zusage für eine Fördersumme von 27,4 Millionen Euro: „Das ist die höchste Einzelförderung, die Esslingen je vom Bund erhalten hat“, sagt Rust.
Wie sieht der neue Zeitplan aus? Die Zuschüsse des Bundes waren ursprünglich nur bis Mitte 2025 abrufbar, nach der Insolvenz von van Hool wurde der Förderzeitraum aber bis Ende 2026 verlängert. Im Vergleich zu den anderen Optionen ist die Umstellung auf batterieergänzte Oberleitungsbusse laut Rust am schnellsten umsetzbar, weil sämtliche Kosten- und Zeitpläne, die notwendigen Ausschreibungsunterlagen und die Förderbescheide vorlägen. Da es bereits durchgeplant sei, habe man hier auch mit den geringsten Unsicherheiten zu rechnen – zumal es sich angesichts der hohen Bundesförderung um das am besten kalkulierbare und günstigste Szenario handele.
Welche Vor- und Nachteile haben die Alternativen? Batteriebusse gelten zwar allesamt als emissionsfrei, doch laut dem Bürgermeister Ingo Rust und Johannes Müller, dem Technischen Werkleiter der SVE, brauchen alle E-Busse eine Ladeinfrastruktur – ob das nun die Oberleitung oder eben Ladesstationen sind. Batteriebusse müssten entweder im Depot geladen werden oder an sogenannten Pantografen im Stadtgebiet – in beiden Fällen seien lange Ladezeiten mit Stillstand der Fahrzeuge notwendig. Müller ergänzt: „Die Erfahrung aus anderen Ländern zeigt, dass es oft schwierig ist, eine Genehmigung für Pantografen zu bekommen.“ Zudem seien bei dieser Art Busse große und schwere Batterien notwendig, die angesichts des häufiger notwendigen Schnellladens weniger lange haltbar seien. Dieselbusse wiederum seien nur noch eine begrenzte Zeit zulässig, während Busse mit wasserstoffbasierten Antrieben technisch noch nicht ausgereift seien.