Michel Brandts Büroräume wurden während eines Besuchs des türkischen Präsidenten von der Polizei besucht. Foto: imago images/Christian Spicker

Polizisten dringen in das Büro eines Bundestagsabgeordneten ein, um missliebige Fotos vom Fenster zu entfernen. Es geht um möglichen Ärger beim Besuch des türkischen Präsidenten. Damit ist die Bundestagsverwaltung zu weit gegangen, entscheidet Karlsruhe.

Karlsruhe - Das Eindringen von Polizisten in das Büro des Karlsruher Linken-Bundestagsabgeordneten Michel Brandt im September 2018 war verfassungswidrig. Das entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss vom 9. Juni. Der Präsident des Deutschen Bundestags, Wolfgang Schäuble (CDU), habe den Abgeordneten in seinem Recht aus Artikel 38 des Grundgesetzes verletzt. (2 BvE 2/19)

An Brandts Bundestags-Bürofenstern hingen während eines Besuchs des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan DIN A4 große Ausdrucke einer Kurdistan-Flagge sowie eines Wimpels der kurdischen Verteidigungseinheiten YPG. Brandt war nicht im Büro, Polizisten gelangten mit einem Zentralschlüssel hinein und entfernten die Ausdrucke. Die Bundestagsverwaltung rechtfertigte das Eindringen auch damit, dass sich Erdogan-Anhänger durch die Plakate provozieren und zu Aktionen gegen den Bundestag hätten hinreißen lassen können.

Michel Brandt begrüßt die Entscheidung

Die Verfassungsrichter sehen in dem Handeln der Polizei beim Deutschen Bundestag einen Eingriff in den verfassungsrechtlich geschützten Abgeordnetenstatus. „Dieser Eingriff ist nicht gerechtfertigt.“ Das Vorgehen sei nicht verhältnismäßig im engeren Sinne gewesen. „Im konkreten Fall waren die Anhaltspunkte für eine Gefahrenlage nur schwach ausgeprägt.“ Zudem sei nicht ersichtlich, dass die Plakatierungen überhaupt von Passanten wahrgenommen worden oder zum Anlass von Angriffen auf das Parlamentsgebäude oder die Mitarbeiter genommen worden wären. Es habe auch keinen Versuch gegeben, den Abgeordneten zu erreichen, teilte der Zweite Senat mit.

Artikel 38 des Grundgesetzes sichere den Abgeordneten das Recht, die ihnen zugewiesenen Räume ohne Beeinträchtigungen durch Dritte nutzen zu können.

Brandt begrüßte die Entscheidung. „Mein Mandat kann ich in meinen Büroräumen ... nur vertrauenswürdig und gewissenhaft ausüben, wenn das Büro vor dem Zugang unerwünschter Personen geschützt ist. Die Beamten hatten in meinen Büroräumen schlicht nichts zu suchen“, teilte der Abgeordnete mit.