Geflüchtet leben oft zunächst in Sammelunterkünften, wie hier in Stuttgart Hofen. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Alleinstehenden Geflüchteten, die gekürzte Sozialleistungen erhalten, wird kein menschenwürdiges Leben ermöglicht, das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit einer Grundsatzentscheidung die Rechte von Asylbewerbern gestärkt, die in Sammelunterkünften leben. Die geltende Kürzung der Sozialleistungen für alleinstehende Geflüchtete in Sammelunterkünften sei verfassungswidrig, entschieden die Karlsruher Richter in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss.

Die entsprechende Norm im Asylbewerberleistungsgesetz verstoße gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Das Verfassungsgericht betonte, dass die Menschenwürde nicht relativiert werden dürfe - auch nicht aus migrationspolitischen Erwägungen.

Geld muss nachgezahlt werden

Alleinstehende, die in Sammelunterkünften leben, erhalten seit September 2019 zehn Prozent weniger Sozialleistungen als andere Leistungsberechtigte. Der Gesetzgeber begründete dies damit, dass von Bewohnern einer Sammelunterkunft erwartet werden könne, dass sie „aus einem Topf“ wirtschaften - und damit ähnliche Einspareffekte erzielen könnten wie Eheleute.

Hierfür sieht das Bundesverfassungsgericht jedoch keine Anhaltspunkte. „Es ist nicht erkennbar, dass in den Sammelunterkünften regelmäßig tatsächlich Einsparungen durch gemeinsames Wirtschaften erzielt werden oder werden können, die eine Absenkung der Leistungen um zehn Prozent tragen würden“, heißt es in dem Beschluss.

Die Karlsruher Richter ordneten nun an, dass alle jene Betroffenen rückwirkend ab September 2019 mehr Geld bekommen, deren Bescheide für diese Zeit noch nicht bestandskräftig sind. Dies gilt etwa in Fällen, in denen jemand Widerspruch gegen seinen Leistungsbescheid eingelegt hat. Für Betroffene mit bestandskräftigen Leistungsbescheiden gilt die Rückwirkung nicht; ihre Sozialleistungen müssen aber ab sofort nach den Karlsruher Vorgaben berechnet werden.

Geflüchteten steht mehr als ein „Grundrechtsschutz zweiter Klasse“ zu

Die Entscheidung stützt sich auf einen Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Düsseldorf hin. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) in Berlin hatte für das Verfahren eigenen Angaben zufolge eine Mustervorlage erarbeitet. Im Ausgangsverfahren hatte ein Geflüchteter aus Sri Lanka gegen die vergleichsweise niedrigen Sozialleistungen geklagt.

Die Entscheidung betrifft laut Verfassungsgericht alleinstehende Erwachsene, die in Sammelunterkünften wohnen und sich seit mindestens 18 Monaten rechtmäßig in Deutschland aufhalten. Laut GFF ist der Karlsruher Beschluss aber „übertragbar auf Leistungsbeziehende in den ersten 18 Monaten“. Die Entscheidung sei eine „klare Absage an die wiederkehrenden Vorstöße des Gesetzgebers, Geflüchteten und Menschen ohne sicheren Aufenthaltsstatus nur einen Grundrechtsschutz zweiter Klasse einzuräumen“, sagte GFF-Jursitin Sarah Lincoln.