Die Fasnet und die Bundestagswahl gehen in Weil der Stadt Hand in Hand. Zu Besuch in einem Wahllokal.
Noch ist es ruhig an diesem Sonntagvormittag, die große Fete beginnt erst später. Gemeint ist nicht die Bundestagswahl, sondern der Narrensprung in der Fasnets-Hochburg Weil der Stadt, bei dem das Rathaus gestürmt wird. Wie gut, dass die Stadtverwaltung die Wahl schon vorher organisiert hatte, wenn das Zeitkorsett auch knapper war als bei anderen Wahlen.
Die Wahlleiterin Susanne Hummel, die als Sachgebietsleiterin Organisation und Arbeitsschutz beim Haupt- und Personalamt tätig ist, hat schon zahlreiche Urnengänge vorbereitet und kann vergleichen. „Eine Kommunalwahl durchzuführen ist deutlich aufwendiger, zumal wir da auch die Stimmzettel selber drucken lassen müssen“, erzählt sie. Allerdings muss diesmal auch die Fasnet bedacht werden. Weil etwa in der Stadthalle am Abend vorher der Hexenball stattfand, wurde das Wahllokal in die Realschule verlegt.
Es gibt 4610 Briefwähler
Im Seniorenzentrum Bürgerheim befindet sich das Wahllokal 001-01, Innenstadt 1 – eines von 15 in der Kommune mit den fünf Stadtteilen. Dazu kommen noch acht Briefwahllokale. Die Möglichkeit zur Briefwahl nutzen am Sonntag immerhin 4610 der 13 285 Wahlberechtigten in der Keplerstadt.
Der freundliche Wahlhelfer am Eingang des Wahllokals versorgt die Ankommenden mit Stimmzetteln. Schlange stehen vor den Wahlkabinen ist zumindest um diese Tageszeit nicht nötig. Tanja Kübler, die das Amt für Jugend und Soziales leitet, ist als Wahlvorstand gerade die Verantwortliche im Raum. Ihr zur Seite sitzen zwei freiwillige Helfer. Einer von ihnen ist gerade mal 18 Jahre alt, er macht einen entspannten Eindruck. Nein, aufgeregt sei er nicht, sagt er. Schließlich sei er nicht zum ersten Mal Wahlhelfer. 190 Wahlhelferinnen und –helfer sind bei dieser Wahl im Einsatz, etwas mehr als die Hälfte sind Ehrenamtliche, die übrigen sind Beschäftigte der Stadtverwaltung. Einige der sonst üblichen Wahlvorstände hätten wegen ihres Engagements in der Fasnet abgesagt, aber es hätten sich mehr freiwillige Helfer gemeldet als sonst, viele sogar zum ersten Mal, erklärt Susanne Hummel. Außer Brezeln und Kaltgetränken erhalten sie für ihre Schichten im Wahllokal sowie das gemeinsame Stimmenauszählen am Abend eine Aufwandsentschädigung.
„Ich muss wählen gehen“
Während von der nahen St. Peter- und Paul-Kirche die Glocken herüberklingen, herrscht ein ständiges Kommen und Gehen im Bürgerheim. Im Gespräch mit den Menschen wird deutlich, dass es für viele eine besondere Wahl ist, „eine wichtige Wahl, eine, zu der man hingehen sollte“, wie ein Mann sagt. Florian Will wird konkreter: „In der heutigen Zeit ist kein Platz für Nichtwähler“, meint der 27-Jährige. „Wenn man nicht wählt, hat man auch keinen Grund zu schimpfen.“ Mit ihm tritt eine alte Dame aus dem Gebäude heraus – die 88-jährige Valentinie Zensner. Sie stimmt diesen Worten zu. „Ich muss wählen gehen“, betont sie mit Nachdruck, „obwohl das für mich in meinem Alter nicht mehr ganz so wichtig ist.“
Kenneth Schlienz weist auf den besonderen Charakter dieser Wahl hin. „Es steht viel auf dem Spiel“, meint der 28-Jährige. „Ich hoffe, dass es eine starke Mitte gibt und die Wahlbeteiligung hoch ist“, sagt er. Auch die fast gleichaltrige Sophia Keinarth hält diesen Wahlsonntag für etwas Besonders. „Es geht ja um was“, meint sie. Wegen des Ergebnisses habe sie aber schon etwas Bammel. Auf die Frage, ob nicht gerade junge Menschen dazu neigten, sich politisch eher an den Rändern zu bewegen, sagt sie, dass ihre Generation die Zukunft stärker im Blick habe als noch vor ein paar Jahren. „Man hat jetzt ein bisschen mehr von der Politik mitbekommen. Das hilft, Dinge besser einzuordnen.“