Am kommenden Mittwoch berät Kanzlerin Angela Merkel wieder mit den Ministerpräsidenten. Foto: imago images/Metodi Popow

Die Corona-Infektionszahlen in Deutschland sinken. Die Impfkampagne läuft, wenn auch noch holperig. Ein weiterer Impfstoff ist angekommen. Zeit also, den Lockdown zu lockern? Am Mittwoch entscheiden Bund und Länder, wie es weitergeht.

Berlin - Vor den nächsten Bund-Länder-Beratungen zum weiteren Vorgehen in der Corona-Pandemie ist keine Lockerung der Einschnitte für Bürger, Wirtschaft und Kultur in Sicht. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) deutete sogar die Möglichkeit eines Lockdowns bis Anfang April an. Auch andere Politiker mahnten nochmals zu größter Vorsicht - vor allem wegen der Ausbreitung der als stark ansteckend geltenden Virus-Mutationen. Nach einer Umfrage unterstützt noch die Hälfte der Deutschen den staatlichen Corona-Kurs, allerdings mit abnehmender Tendenz. Einen neuen Lichtblick gibt es beim Impfen: Erste Bundesländer erhielten am Samstag Lieferungen des Impfstoffs des britisch-schwedischen Herstellers Astrazeneca.

Altmaier sagte der „Bild am Sonntag“: „Wir dürfen uns nicht öffentlich mit Lockerungs-Fahrplänen überbieten.“ Die Zahl der Neuinfektionen sei derzeit kaum niedriger als Ende Oktober, als der Lockdown begann. Er hoffe aber sehr, „dass wir spätestens zum Frühlingsanfang, spätestens an Ostern, wenn die Sonne scheint und man draußen sitzen und speisen kann, die Pandemie-Welle endgültig gebrochen haben und Öffnungen möglich sind“. Der CDU-Politiker plädierte für ein regionales Vorgehen je nach Infektionszahlen.

Söder will nichts überstürzen

Der CSU-Vorsitzende Markus Söder warnte beim Landesparteitag der Niedersachsen-CDU ebenfalls davor, die Dinge zu überstürzen. „Sicherheit ist - glaube ich - am Ende der beste Ratgeber.“

Ungeachtet der Mahnung Altmaiers meldeten sich am Wochenende mehrere Ministerpräsidenten mit Lockerungsszenarien zu Wort. So machte Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) deutlich, dass er baldige Lockerungen für vertretbar hält - „wenn die Schritte überschaubar sind und wir ein gesellschaftliches Verständnis haben, dass bei Zunahme der Infektionen auch wieder weniger öffentliches Leben notwendig ist“, wie er der „Leipziger Volkszeitung“ sagte.

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Thüringens rot-rot-grüne Landesregierung plädierte für ein bundesweit einheitliches Vorgehen. In einem Papier, das die Regierung von Bodo Ramelow (Linke) an die anderen Länder schickte, ist die Rede von „möglichst bundesweit einheitlich festzulegenden Kriterien für einen Stufenplan“. Das Papier liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. Thüringen plädiert dafür, neben der Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern binnen sieben Tagen auch Kriterien wie die Dynamik des Infektionsgeschehens, die erreichte Impfquote oder die Auslastung von Intensivbetten für die Entscheidung über Lockerungen einzubeziehen.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) räumte Fehler im Corona-Krisenmanagement ein. „Der Lockdown light im November war falsch, die Einschränkungen gingen nicht weit genug“, sagte er dem „Tagesspiegel am Sonntag“. „Von Teilen der Wissenschaft hatten wir die Ansage, dass das genügen könnte. Das war aber ein Irrtum.“ Allerdings hatte seinerzeit auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf schärfere Maßnahmen gedrungen, sich jedoch nicht gegen die Länderregierungschefs durchsetzen können.

Der Lockdown zur Eindämmung der Corona-Pandemie ist bislang bis zum 14. Februar befristet. Am Mittwoch wollen Ministerpräsidenten und Kanzlerin darüber beraten, wie es anschließend weitergehen soll.

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Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur sind 37 Prozent der Bürger für eine Verlängerung der bisherigen Einschränkungen, weitere 13 Prozent sogar für eine Verschärfung. Dagegen sind 30 Prozent für eine Lockerung und 13 Prozent für eine komplette Rückkehr zur Normalität. Die Akzeptanz schwindet aber: Anfang Januar waren noch fast zwei Drittel (65 Prozent) für eine Beibehaltung oder Verschärfung der Maßnahmen.

Zahlen sinken weiter

Die Gesundheitsämter meldeten dem Robert Koch-Institut (RKI) 8616 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages. Außerdem wurden 231 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden verzeichnet, wie aus RKI-Zahlen vom Sonntag hervorgeht. Vor einer Woche waren 11 192 Neuinfektionen und 399 neue Todesfälle binnen 24 Stunden verzeichnet worden. Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner lag laut RKI am Sonntagmorgen bei 75,6. Die Bundesregierung hält einen Wert von unter 50 für erforderlich, um Lockerungen verantworten zu können.

Einer der umstrittensten Punkte in der Lockerungsdebatte ist das Vorgehen bei Kitas und Schulen. Mehrere Verbände und Gewerkschaften forderten Bund und Länder am Wochenende auf, einen einheitlichen Stufenplan mit verbindlichen Öffnungskriterien zu verabschieden. Die Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Susanne Lin-Klitzing, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, es brauche bundesweit einheitliche Kriterien für stufenweise Schulöffnungen. Auch die Chefin der Bildungsgewerkschaft GEW, Marlis Tepe, verlangte dies: „Das föderale Durcheinander muss endlich beendet werden.“

Das sagt die Bildungsministerin

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) hält aber eine flächendeckende Rückkehr zum Präsenzunterricht für „vermutlich noch verfrüht“, wie sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte. „Vielleicht kann mit großer Vorsicht ein erster Schritt gegangen werden.“ Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt riet im „Münchner Merkur“ zu Vorsicht: „Wenn man über die Reihenfolge von Lockerungsmechanismen diskutiert, muss nicht zwingend die Schule zu Beginn stehen.“ Für Kitas und Schulen sind die Länder zuständig.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will die Corona-Impfungen mit einer neuen Verordnung beschleunigen und flexibler machen. „So kann die Impfkampagne weiter an Fahrt aufnehmen“, sagte er am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. Die Verordnung, die an diesem Montag in Kraft treten soll, sieht einige Änderungen bei der Einstufung der Bevölkerung in drei vorrangig zu impfende Gruppen vor. Zudem kann von der Reihenfolge künftig in Einzelfällen abgewichen werden, etwa wenn dies „zur kurzfristigen Vermeidung des Verwurfs von Impfstoffen notwendig ist“, wie es in der Verordnung heißt, die der dpa vorliegt.

Deutschlands Kassenärzte forderten, dass sie schneller als geplant bei der Impfung zum Zug kommen. „Diejenigen, die andere jeden Tag behandeln, medizinisch versorgen und schützen, müssen auch selbst geschützt sein“, sagte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, plädierte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe wiederum dafür, Lehrer und Erzieher früher als bisher geplant zu impfen.

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Nach den Präparaten von Biontech/Pfizer und Moderna ist der nun erstmals ausgelieferte Astrazeneca-Impfstoff der dritte, der in Deutschland verfügbar ist. Der Mainzer Covid-19-Impfstoffhersteller Biontech teilte mit, Produktionskapazitäten ausbauen zu wollen. Dafür würde jetzt Geld vom Staat helfen, wie Finanzvorstand Sierk Poetting dem „Spiegel“ sagte. „Erst recht, wenn wir für nächstes Jahr eine Kapazität von drei Milliarden Dosen antizipieren sollen, wie es diese Woche bereits angefragt wurde.“

Am Geld soll es nicht scheitern

Spahn sagte der dpa, Biontech habe beim Impfgipfel einen möglichen Finanzbedarf von bis zu 400 Millionen Euro dargelegt. „Wir sind im Austausch mit dem Unternehmen, um dies weiter zu konkretisieren.“ Darüber spreche man auch mit anderen Herstellern. „Wir wollen für den Fall problematischer Mutationen oder notwendiger Auffrisch-Impfungen auch für 2022 ausreichend Kapazität für Deutschland, Europa und die Welt sichern.“ Finanzminister Olaf Scholz (SPD) betonte im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Am Geld wird die schnellere Beschaffung von Impfstoff jedenfalls nicht scheitern.“

Die von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bereits für nach Ostern angekündigte zentrale Gedenkfeier soll nun am 18. April stattfinden. Das Ziel sei klar, sagte Steinmeier der „Rheinischen Post“ (Samstag): „Als Gesellschaft innehalten, den Hinterbliebenen eine Stimme geben, in Würde Abschied nehmen von den Toten.“