Plochingen, Esslingen, Stuttgart – und zurück. Die Strecke ist fester Bestandteil im Leben von Frank Buß, Bürgermeister, Kreis- und Regionalrat in einer Person.
PlochingenKarriereplanung? „Die habe ich nie betrieben“, sagt Frank Buß. Und das, obwohl der 54-Jährige 2008 als Bürgermeister in seine Heimatstadt Plochingen zurückgekehrt ist, als stellvertretender Fraktionsvorsitzender für die Freien Wähler im Kreistag sitzt, Chef des Kreisverbands der Freien Wähler und Mitglied der Regionalversammlung ist. Für den Sprung in den Landtag, zu dem sein ehemaliger Aichwalder Kollege Nicolas Fink Ende des vergangenen Jahres angesetzt hatte, fehlt ihm ein Parteibuch. Bedauert er das? Ein ganz kleines bisschen zögert er. Dann kommt es aber doch im Brustton der Überzeugung: „Ich habe in meinem ganzen politischen Leben immer die Freiheit genossen, dass keiner über mir ist.“
Gymnasiallehrer für Geschichte und Gemeinschaftskunde – das hätte er sich nach dem Abitur am Plochinger Gymnasium auch gut vorstellen können. Dass es stattdessen ein Studium an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg wurde, ist nicht nur den befürchteten Unbilden der Lehrereinstellung zu verdanken, sondern auch seinen Eltern, die beruflich ebenfalls im Verwaltungswesen unterwegs waren.
Wer wie er zwischen den politischen Ebenen pendelt, hat lange Arbeitstage. Zumal Buß ein Schaffer ist. Einer, der sich nicht zu schade ist, sich im Streit um das Punkthaus auf dem Bruckenwasen oder für den Regionalverkehrsplan höchstpersönlich durch die Aktenberge zu fressen. Seine hohe Sachkompetenz wird ihm von allen Seiten bescheinigt. Er vertraut auf das Fachwissen seiner Mitarbeiter, will aber schon die Kontrolle behalten. Diese Gratwanderung scheint er gut hinzubekommen: Sein Gemeinderat hat ihm erst bei der Weihnachtssitzung vor drei Monaten wieder ein ausgesprochen gutes, vertrauensvolles Miteinander bescheinigt. Auch bei den Rathausmitarbeitern spürt man hohe Wertschätzung für den Chef.
Im Kreistag sitzt er im Jugendhilfeausschuss. Die Rettungsaktion für den Kreisjugendring und die Weiterentwicklung der offenen Jugendarbeit waren für den ehemaligen Vorsitzenden des Plochinger Stadtjugendrings spannende Etappen der zurückliegenden Legislaturperiode. Buß: „Es ist wichtig, die kommunalpolitische Praxis in die kreispolitischen Themen einzubringen.“ Und dass es im öffentlichen Personennahverkehr der Region tatsächlich zu einem flächendeckenden 15-Minuten-Takt und der großen Tarifreform kommen würde, hatte er sich 2014 bei seinem Antritt im Verkehrsausschuss der Regionalversammlung noch nicht vorstellen können. In Anbetracht des völlig überlasteten, auf Stuttgart zentrierten S-Bahn-Schienennetzes müsse es jetzt umso mehr darum gehen, den Ringschluss vom Neckartal auf die Filder und damit die Tangentialverbindungen hinzubekommen.
Die Vernetzung der lokalen, kreisweiten und regionalen Ebene, für die er steht, geht aber nicht immer ohne Interessenskonflikte ab. Die Kreistagsdiskussionen um das Ende des Plochinger Kreiskrankenhauses, das sich nicht abwenden ließ, markierten „mit Abstand die schwierigste Zeit in meinem Leben“, so Buß im Nachhinein. „Da hat es auch in der Fraktion der Freien Wähler ziemlich geknallt.“ Das waren die Zeiten, in denen selbst der ansonsten sehr sachorientierte Buß nachts nicht mehr schlafen konnte. Da ist er aufgestanden, hat eine Stellungnahme nach der anderen geschrieben, die am nächsten Morgen dann doch wieder im Papierkorb gelandet sind. Geholfen hat alles nichts. Nachkarten hilft aber auch nichts. Dass das Landratsamt auf dem ehemaligen Krankenhausgelände jetzt eine Dependance eröffnen will, „stärkt die zentralörtliche Funktion Plochingens“, so Buß.
Er ist von 8 Uhr morgens bis teilweise 22 oder 23 Uhr abends auf dem Sprung. Deshalb ist ihm der Rückhalt seiner Frau und die Mittagspause zuhause so wichtig. Als die beiden Töchter noch klein waren, „war das oft die einzige Zeit am Tag, in der ich sie gesehen habe“. Neulich hat er mit seiner Frau einen Marathon in Barcelona bestritten. Das regelmäßige Laufen ist wichtig für ihn, es hilft beim Abschalten und sortiert die Gedanken. Auch im Streit um das Punkthaus auf dem Bruckenwasen. Eine Spaltung der Stadt will er auf keinen Fall. Bürgerbeteiligung war für ihn immer mehr als eine Floskel. Aber Buß ist auch keiner, der sich von Gegenwind einfach umblasen lässt. Da braucht es schon sehr guter Argumente. Auf lokaler Ebene hat er sich immer als unabhängiger Bürgermeister verstanden. Dass die Freien Wähler in Plochingen für die Gemeinderatswahl offenbar keine Liste zusammengebracht haben, will er deshalb auch nicht kommentieren. Er habe sie nicht anders behandelt als die anderen Fraktionen, sei nur ein einziges Mal in ihrer Sitzung gewesen – um sich nach seinem Amtsantritt vorzustellen.
Plochingen ist und bleibt seine Heimat. Sich noch einmal aufmachen und ein größeres Rathaus erobern – etwa in Nürtingen – will er nicht. „Ich gehöre zu den Menschen, die der Ansicht sind, ein Bürgermeister muss auch an seinem Amtssitz wohnen.“ Er habe aber hier ein wertvolles Umfeld und sehr gute Freunde. Und noch einiges vor – man denke nur an das Untere Schulzentrum und den Burgplatz. 2016 haben ihn die Plochinger mit fast 98 Prozent im Amt bestätigt, er will auch 2024 wieder antreten. Aber jetzt hofft er erst einmal auf ihre Stimmen und die aus der engeren und weiteren Nachbarschaft bei der Kreistags- und Regionalwahl.