Perspektiven für Neuhausens Zukunft im Jahr 2030 und darüber hinaus entwickelt die Gemeinde schon jetzt. Foto: Ines Rudel

Mit einem neuen Format binden die Verwaltung und der Gemeinderat in Neuhausen die Bürgerinnen und Bürger in die Entwicklung der Kommune ein. Das Interesse an „Neuhausen 2030 plus“ bestätigt diesen Ansatz.

Der englische Begriff „Townhall Meeting“ machte offenbar neugierig. Jedenfalls folgten am Samstag viele Menschen der Einladung von Verwaltung und Gemeinderat ins Obere Schloss in Neuhausen. Um die Bürgerinnen und Bürger an der Stadtentwicklung teilhaben zu lassen, gab es dort Gelegenheit zu Information und Austausch. „Es geht darum, Menschen niederschwellig zum Mitmachen zu bewegen“, sagte Bernd Nolte. Der Professor, der unter anderem an der Steinbeis-Hochschule in Berlin lehrt, hat im Rahmen eines sechsmonatigen Projekts die kommunale Entwicklung unter die Lupe genommen. „Neuhausen 2030 plus“ lautet der Titel des Projekts.

„Wir haben gemeinsam mit der Kommunalpolitik und mit der Verwaltung Perspektiven entwickelt, die auch finanzierbar sind“, sagte der Berater Nolte, der mit seiner Firma 4P Consulting in Stuttgart Banken, Finanzdienstleister und Kommunen begleitet. Denn alles andere wäre frustrierend. Gerade in Zeiten knapper Kassen ist Haushaltspolitik das große Thema. In der regionalen Planung wie auf kommunaler Ebene ist es aus Noltes Sicht unverzichtbar, die Menschen ins Boot zu holen und ihnen Einblicke zu gewähren. An übersichtlich aufbereiteten Informationswänden hatte die Verwaltung die wichtigsten Punkte zu den zentralen Themenfeldern zusammengefasst.

Groß war der Andrang an dem Informationsstand zum Thema Mobilität. Da standen Uwe Schwartz, der Leiter des Ordnungsamts, und die SPD-Gemeinderäte Dietmar Rothmund und Julitta Törpe den Besuchern Rede und Antwort. „Es geht uns nicht darum, fertige Ergebnisse zu präsentieren“, stellte Schwartz klar. Denn man wolle die Menschen dazu bewegen, selbst mitzugestalten. Nicht nur im persönlichen Gespräch hatten sie dazu die Gelegenheit. Auf bunten Karten durften sie ihre Wünsche, Vorschläge und Kritik notieren. Unter anderem war die Gestaltung des neuen Mobilitätsknotens am künftigen S-Bahnhof ein wichtiges Thema. Die Unterführung ist bereits fertig. Im Sommer soll der Gleisbau beginnen.

Die Gemeinderätinnen und -räte waren vom Andrang bei dem neuen Gesprächsformat angetan. Sie hatten den Nachmittag in einer zweitägigen Klausurtagung mit Bernd Nolte vorbereitet. Den Blick von außen fand Jutta Reinauer (Initiative Grüne Liste) sehr spannend. Man habe von Nolte wichtige Impulse bekommen und sehr fruchtbar diskutiert. Reinauer informierte die Bürgerinnen und Bürger über zukunftsweisende Wohnformen. Denn: „Zu viele ältere Menschen leben alleine in riesigen Häusern.“ So gehe nicht nur Wohnraum verloren. Es bestehe auch die Gefahr, „dass sie sich immer stärker isolieren“. Ein Weg aus dieser Krise könnten für die Gemeinderätin genossenschaftliche Wohnmodelle sein, die kleinere Wohneinheiten vermieten. Das praktiziert zum Beispiel die Nestbau-Genossenschaft in Tübingen. Dazu brauche es viel Überzeugungskraft, das ist der Gemeinderätin bewusst.

Wirtschaft ist ein zentrales Thema

In die komplexen Zusammenhänge der Wirtschaft führte der Beigeordnete und Kämmerer Stefan Hartmann die Besucherinnen und Besucher ein. Reinhold Fleck (Freie Wähler) sieht die Ausweisung neuer Gewerbegebiete als eine zentrale Aufgabe an. So könne man den Mittelstand stärken. Doch da werde die Lage zunehmend unwägbar, denn auch die Wirtschaftsunternehmen hätten unter der Krise zu leiden. Als Beispiel nannte er die Absage der Firma Balluff, die am Ortseingang von Neuhausen nahe der Lindenkapelle ein Distributionszentrum bauen wollte. Die Kommune hatte bereits mit den Plänen für die Erschließung begonnen. Auch Nadine Korany (FDP), die neu im Gemeinderat ist, informierte über das Thema Wirtschaft. „In meinen ersten Monaten im Gemeinderat habe ich gesehen, wie streng wir unsere Ausgaben planen müssen“, sagte sie. Da sei der Spielraum zurzeit sehr begrenzt.

„Der Zeitpunkt für das neue Format ist perfekt gewählt“, konstatierte Dominik Moràr. Der CDU-Fraktionschef findet es wichtig, dass gerade die neu gewählten Gemeinderätinnen und -räte mit den Menschen ins Gespräch kommen. Über die vielen Ideen, die am Ende an den Tafeln klebten, freute auch er sich sehr: „Das sind wichtige Impulse für unsere Flächennutzungsplanung.“

Immer wieder tauchte Kritik am Flächenverbrauch auf den Tafeln auf. „Weiter sollte Neuhausen nicht wachsen, denn zunächst muss ja die Infrastruktur ausgebaut werden“, sagte etwa Bernhard Bauer. Die S-Bahn-Erweiterung berge da auch eine Gefahr, „denn der Siedlungsdruck wächst“. Wie wichtig Klimaschutz vielen Menschen ist, machten sie ebenfalls deutlich. Da könnten Verwaltung und Gemeinderat aus ihrer Sicht mehr tun.

Neues Format der Bürgerbeteiligung

Vorgeschichte
 Mit Bürgerbeteiligungen hat die Fildergemeinde Neuhausen Erfahrung: Im Rahmen des Integrierten Gemeindeentwicklungskonzepts – kurz: IGEK – gab es immer wieder gut besuchte Veranstaltungen, bei denen die Menschen ihre Ideen und Vorschläge zur kommunalen Entwicklung einbringen konnten.

Townhall Meeting
 Diese Form des Austauschs kommt aus den USA. Dort nutzten Politiker die Möglichkeit, im Rathaus mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, schon lange. „Das hat auch in der Kommunalpolitik Sinn“, sagt der Berater Bernd Nolte, der das Projekt in Neuhausen begleitet und das Format derzeit auch in Villingen-Schwenningen umsetzt. Es sei wichtig, dass sich Verwaltung, Kommunalpolitik und Bürgerschaft begegnen.