Von russischen Soldaten in Brand gesetzte Weizenfelder in der Region Saporischschja. Foto: IMAGO/NurPhoto/IMAGO/Dmytro Smolyenko

Um die Gegenwart zu verstehen, kann ein Blick in die Vergangenheit helfen – im Zweifel auch der Brief an einen Toten. Wer im Ukraine-Krieg Position bezieht, kommt um das neue Buch der italienischen Autorin Francesca Melandri nicht herum: „Kalte Füße“.

Alles hat seine Zeit, es gibt eine Zeit, Zeugnis abzulegen, und eine Zeit, Geschichten zu erfinden. Das schreibt die italienische Schriftstellerin Francesca Melandri in ihrem neuen Buch „Kalte Füße“. Es ist keine erfundene Geschichte, sondern eher die kritische Überprüfung im Umlauf befindlicher Geschichten, solche, die sich auch grob unter dem durchaus literaturfähigen Begriff Lebenslügen fassen ließen. Was für gute Romane daraus entstehen können, hat sie in „Keiner, außer mir“ unter Beweis gestellt. Darin stilisiert sich ein ehemaliger Parteigänger Mussolinis, der an dessen abessinischem Eroberungsfeldzug mit allen menschenverachtenden Konsequenzen teilgenommen hat, nach dem Krieg zum Partisanen, getreu der italienischen Logik, wonach die zwei Jahre deutscher Besatzung das Land entweder in wehrlose Opfer oder Helden des Widerstands aufgeteilt hätten.