Die Brandruine am Dienstagmittag: Von den Brandschäden ist von außen kaum etwas zu sehen, nur das zerstörte Dach ist erkennbar. Foto: Roberto Bulgrin

Nachdem ein Feuer auf dem historischen Industrieareal Otto-Quartier in Wendlingen (Kreis Esslingen) gewütet hat, gibt es auch gute Nachrichten. Demnach konnte die Feuerwehr ein Ausbreiten auf denkmalgeschützte, angrenzende Gebäude verhindern.

In der Nacht auf den 24. Dezember hat ein Großbrand zeitweise mehr als 180 Personen der Feuerwehren im Kreis Esslingen in Atem gehalten: Ein Gebäude im Otto-Areal in Wendlingen, einst eine Textilfabrik, ist weitgehend niedergebrannt. Doch den Einsatzkräften ist es gelungen, den Brand bis zum Morgen zu löschen. Für Bürgermeister Steffen Weigel, der sich vor Ort ein Bild vom Geschehen gemacht hatte, gibt es an Heiligabend darum trotz des Unglücks auch erfreuliche Nachrichten: So konnte weitere, denkmalgeschützte Bausubstanz vor der Zerstörung bewahrt werden. Und es sind nach derzeitigem Kenntnisstand keine Personen verletzt worden.

Am Dienstagmittag ist von außen kaum zu erkennen, was in der Nacht geschehen war. Für Fotos betreten werden kann das Gebäude nicht aufgrund möglicher Einsturzgefahr. Gegen 8.30 Uhr hatte die Feuerwehr die Einsatzstelle verlassen, jedoch war eine Brandwache abgestellt worden, die immer wieder kontrolliert, um ein erneutes Aufflammen zu verhindern. Wie lange diese noch da sein werde, konnte Carsten Ruick, Pressesprecher der Feuerwehren, am Mittag nicht sagen. Bürgermeister Weigel sprach die Hoffnung aus, dass die Einsatzkräfte am Abend zum Weihnachtsfest bei ihren Familien sein können. Der Rathauschef lobte deren Arbeit. „Durch den tollen Einsatz der Feuerwehr sind umliegende denkmalgeschützte Gebäude nicht in Mitleidenschaft gezogen worden“, sagte Weigel. Der Spinnereihochbau und das Kesselhaus seien nicht betroffen, an der Weberei gebe es wohl zum Teil Schäden. Bei dem ausgebrannten Gebäude handele es sich um die sogenannte Ausrüstungshalle.

Es besteht Einsturzgefahr. Foto: Roberto Bulgrin/Bulgrin

Schaden wohl doch geringer als zuerst gedacht

Derweil korrigierte die Polizei ihre erste Schadenssumme nach unten. Während in der Nacht noch von mehreren Millionen Euro die Rede war, gingen Kräfte vor Ort nun eher von einem hohen sechsstelligen Betrag aus, teilt Matthias Lernhart, Chef vom Dienst im Polizeipräsidium Reutlingen, am Dienstagmittag mit. Allerdings sei es zu diesem Zeitpunkt noch schwierig, eine konkrete Aussage zu treffen. Erkenntnisse zur Brandursache gibt es nach Lernharts Aussage ebenfalls noch nicht. Seit der Nacht ermittelt die Kriminalpolizei. „Der Brandort wurde beschlagnahmt, die Spurensicherung geht sobald wie möglich rein.“

Die Feuerwehr war am Montag gegen 21.30 Uhr alarmiert worden, nachdem über dem Areal Rauch wahrgenommen worden war. Vor Ort nahmen die Einsatzkräfte dann laut Pressemitteilung der Feuerwehren des Landkreises einen deutlichen Feuerschein über dem brachliegenden Gebäude wahr. Weil ein Einsatz innen sich als zu gefährlich erwiesen habe, habe der Einsatzleiter Michael Gau entschieden, den Brand von außen zu bekämpfen, so Ruick. Vier Drehleitern seien im Einsatz, die Wasserversorgung dank des wenige hundert Meter entfernten Neckars stabil gewesen. So hätten die angrenzenden Gebäude gehalten werden können. „Wir hatten auch eine Drohne im Einsatz, sodass wir immer ein Luftbild hatten, um zu sehen, wo Glutnester sind. So konnte gezielt gelöscht werden“, sagte der Pressesprecher der Feuerwehren. Der Einsatz sei aufgrund einer unübersichtlichen Situation gefährlich gewesen, es seien nach seinem Kenntnisstand aber keine Einsatzkräfte verletzt worden.

Wie geht es im Otto-Quartier weiter?

Wie der Brand sich womöglich auf die Entwicklung des Otto-Quartiers auswirken wird, dazu konnte Weigel am Dienstag keine Aussagen treffen. Auf dem Industriegelände soll ein Stadtquartier mit Gewerbe und Wohnen entstehen, wobei die denkmalgeschützte historische Bausubstanz erhalten bleiben soll. Baustart war für Frühjahr 2023 geplant – das Projekt hatte sich aber immer wieder verzögert. Hauptinvestor auf dem rund zehn Hektar großen Areal am westlichen Stadtrand von Wendlingen ist CG Elementum. Dessen Gebäude seien dank des unermüdlichen Einsatzes der Feuerwehr nicht betroffen, teilt Pressesprecherin Eva Mommsen mit. Das Gebäude, in dem der Brand ausgebrochen sei, sei im Besitz des Unternehmens Quarterback, einem Projektentwickler mit Hauptsitz in München. Das Unternehmen war am Dienstag nicht erreichbar.

Auch Gebäude der HOS-Gruppe sind nach Angaben von deren Geschäftsführer Andreas Decker nicht in Mitleidenschaft gezogen worden. Er selbst sei in der Nacht bis Viertel vor Zwei vor Ort und zeitweise in Sorge gewesen. Die HOS-Grundstücke befinden sich auf der anderen Seite eines Zufahrtsweges auf dem Gelände. Die Unternehmensgruppe hat hier bereits ein neues Büro- und Dienstleistungsgebäude errichtet und plant weitere Neubauten und die Entwicklung von historischem Gebäudebestand auf dem Gelände. HOS, der Name steht für Heinrich Otto und Söhne und damit die Familienholding der Textilfabrikanten, war einst Eigner des gesamten Areals. Decker zufolge handelt es sich bei der abgebrannten Ausrüstungshalle um ein Gebäude indem einst ein Teil der Textilveredelung stattgefunden habe, bevor es für andere Zwecke genutzt wurde. Es sei nicht denkmalgeschützt und in den vergangenen Jahren leer gestanden. Es soll nach Informationen des HOS-Geschäftsführers einem Neubau weichen.