Gut gelaunte Gäste bei der Geburtstagsfeier der Boa in der Nacht zum Sonntag. Foto: /Engelhard

Die Boa hat noch Biss: Stuttgarts älteste Disco feiert mit Stammgästen von einst, aber auch mit vielen Jungen den 46. Geburtstag – ein fürwahr biblisches Alter in der Baggerbranche. Erinnerungen an Höhen und Tiefen einer tanzwütigen Schlange.

Diese Schlange hat sich in der Stadt festgebissen: Ihre Grube strahlte oft helle, aber sie kennt auch die finsteren Zeiten. Mit 46 Jahren ist die Boa die älteste Disco von Stuttgart. Nicht Club steht über dem Eingang, wie man heute sagen würde, sondern immer noch das gute, alte Wort Diskothek. Zur Geburtstagsfeier sind alle Stehtische vorab reserviert. Das Haus an der Tübinger Straße, es ist an diesem Abend ein Mehrgenerationenhaus, wird im Erdgeschoss zum Full House. Was auffällt: Junge wie Ältere tanzen und feiern vergnügt nebeneinander, ob im goldenen Glitzerdress oder im Hoodie.

Das Noa nebenan wird in dieser Nacht zur Außenstelle der Boa

Vor Corona hat die Boa ihren Geburtstag oft im Januar auswärts in der Alten Reithalle gefeiert. Diesmal will Besitzer Rainer Frankfurth bei den Wurzeln bleiben, also dort, wo alles begann. Vielleicht scheut er auch das Risiko. Würde der große Feiersaal im Hotel Maritim nach der langen Pandemiepause wirklich voll? Zum 46. Geburtstag braucht Frankfurth trotzdem mehr Platz: Das Noa neben der Boa wird zur Außenstelle für Feiergäste, die vom Tanzen pausieren oder etwas essen wollen, etwa Tapas aus Tausendundeiner Nacht. In dem orientalischen Restaurant singt Kim Hofmann ihre zarten und gefühlvollen Songs.

Den Corona-Lockdown hat Boa-Chef Rainer Frankfurth genutzt, um im Herbst 2021 die Disco von Grund auf zu renovieren und fit zu machen for the Next Generation. Vielleicht macht das den Erfolg aus: Die Boa hat sich immer wieder gehäutet und erneuert, ist sich aber dabei immer treu geblieben. Zum Vergleich: Der Perkins Park ist 42 Jahre alt. Der Kings Club würde dieses Jahr ebenfalls seinen 46. Geburtstag feiern, ist aber seit vier Jahren geschlossen und keiner weiß, wann und ob es wieder losgeht.

An der Decke der Boa hingen Seile

In der Boa sind die Seile, die wie Schlangen von der Decke hingen, längst verschwunden. Der Brandschutz will das so. Früher, als man noch rauchen durfte beim Tanzen, haben sie wohl keine Behörde gestört.

Die Boa befindet sich in den Räumen des Tuchhauses Scheid. Der gesamte Gebäudekomplex – mit Ausnahme des Bekleidungsladens Wester – diente bis in die 70er Jahre dem Handel von Stoffen. Als sich Ende der 60er immer mehr Konfektionsware in der Bekleidungsbranche durchsetzte, suchten die Eigentümer von Scheid nach alternativer Nutzung. Auf der Fläche der heutigen Boa befand sich das Lager für Futterstoffe. In den Nischen befanden sich sowohl zum Innenhof wie auch zur Krumme Straße große Fenster. Von 1976 wurden die Räume umgebaut. Im Januar 1977 hat sie Clublegende Werner „Sloggi“ Find mit zwei Geschäftspartnern als Disco eröffnet – genau in dem tanzwütigen Jahr, als der Film „Saturday Night Fever“ die Welt in Schwung brachte.

Der junge Frank Nopper durfte nicht in die Boa

In der Boa scheinen Altersgrenzen aufgehoben. Die Jungen sind, na klar, in der Mehrheit, aber auch Generationen darüber, Stammgäste for ever, fühlen sich wohl. Dass Einzelne mit dem Rollator kommen, zählt wohl zu den Fake-News. Dagegen stimmt – der Stuttgarter Oberbürgermeister erzählt es selbst –, dass der junge Frank Nopper als Schüler vom Boa-Türsteher abgewiesen worden ist. Erst als der spätere Politiker sich an die Fersen des schönsten Girls der Klasse geheftet hat, kam er rein.

Auch heute erhält nicht jeder Zutritt, was allerdings nicht mehr an Turnschuhen liegt, die früher ein No-Go waren. Vor etwa acht Jahren hat Rainer Frankfurth die Boa von „Sloggi“ Find übernommen, der ein Buch über sein Leben als Partymacher, Moderator und Karnevalspräsident geschrieben hat, in dem die Disco an der Tübinger Straße eine Hauptrolle spielt.

Von Thomas Gottschalk über Prinz Albert bis zu Boris Becker – es gab Zeiten, da gingen Promis an der Menschenschlange vorbei durch den Hintereingang in die Boa. Doch dann, sagt Find, habe man sich von „der Schickimicki-Zone“ verabschiedet und sei „normal“ geworden, was das Erfolgsrezept sei. Nach Corona, so scheint es, darf’s wieder normal sein. Bei der Geburtstagsfeier jedenfalls ist die Boa „normal“ voll – und noch ein bisschen mehr als sonst.