Im Juni hat ein Mann die Betreuung in der Katharinenschule überfallen. Foto: Roberto Bulgrin

An diesem Dienstag beginnt vor dem Stuttgarter Landgericht die Aufarbeitung der Messerattacke an der Esslinger Katharinenschule im Juni 2022. Ein 25-Jähriger soll ein Mädchen und eine Betreuerin schwer verletzt haben. Was löst der Prozessbeginn bei Betroffenen aus?

Gut sieben Monate ist es her, dass ein bewaffneter Mann in der Esslinger Katharinenschule eine Siebenjährige und eine Betreuerin schwer verletzt hat. Die Tat hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt. Bei ihrer Rückkehr in den Alltag wurde die Schule durch das schulpsychologische Kriseninterventionsteam unterstützt, um bestehende Belastungen zu reduzieren und Langzeitfolgen vorzubeugen. „Lehrkräfte sollen Sicherheit im Umgang mit den Ängsten und Fragen der Kinder bekommen und sie sollen befähigt werden, besonders belastete Kinder zu identifizieren, damit weitere gezielte Unterstützungsangebote möglich sind“, erklärt Johannes Hitzler, der Leiter der schulpsychologischen Beratungsstelle in Nürtingen. Die Tat war während der Pfingstferienbetreuung passiert. Weil die von Grundschülern aus ganz Esslingen besucht wurde, habe es an mehreren Schulen psychologische Unterstützung gegeben. Bei Bedarf könnten Betroffene, egal ob Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrkräfte, Schulleitungen, Hausmeister oder Sekretärinnen, weiterhin schulpsychologische Hilfe anfordern, betont Hitzler.

Ein krisenhafter Vorfall wie die Messerattacke belaste Menschen unterschiedlich. „Je stärker sie betroffen sind, desto stärker ist tendenziell die Belastung“, sagt Hitzler. Die Belastungssymptome würden in der Regel innerhalb von sechs bis acht Wochen deutlich zurückgehen. „Die Krise wird bewältigt und das Geschehene als Teil der individuellen Geschichte verarbeitet“, fasst der Schulpsychologe zusammen.

Medienberichte können Angst auslösen

Doch was passiert, wenn die Tat erneut ins Bewusstsein rückt? Ab diesem Dienstag muss sich der 25-jährige Beschuldigte vor dem Stuttgarter Landgericht wegen versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung verantworten. Johannes Hitzler hält es für möglich, dass eine Konfrontation etwa durch die mediale Berichterstattung Ängste auslöst, die schon überwunden schienen. „Solange diese Ängste für die Betroffenen bewältigbar sind und auch bleiben, kann dies als normale Reaktion eingestuft werden“, sagt der Psychologe, bei Bedarf stehe das schulpsychologische Unterstützungsangebot zur Verfügung. „Wenn Hinweisreize, welcher Art auch immer, nach langer Zeit aber ein Wiedererleben auslösen, das nicht selbst bewältigt werden kann, ist das Erlebte nicht ausreichend verarbeitet worden und es sollte professionelle Unterstützung in Anspruch genommen werden“, rät er.

Eine Betreuerin wechselt die Schule

Auch Mitarbeiter der Stadt als Schulträger standen nach der Tat für Gespräche bereit. Den beiden Betreuerinnen wurde angeboten, die Schule zu wechseln. Die Frau, die der Angreifer verletzt hat, wollte nach Angaben von Schulbürgermeister Yalcin Bayraktar an der Katharinenschule bleiben. Um einen Neuanfang zu erleichtern, hat die Stadt den Flur, wo die Bluttat passiert war, nach Wünschen der Schule neu gestrichen und die Möbel ausgetauscht oder umgestellt.