Alle Plätze belegt: Foto:  

Wegen der Corona-Krise wurde die Filderhalle in Leinfelden für zwei Wochen zur Blutspendezentrale für den Landkreis Esslingen umfunktioniert. EZ-Redakteur hat sich testweise auch Blut abnehmen lassen.

Leinfelden-Echterdingen - Besondere Situationen erfordern besondere Entscheidungen. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) hat wegen der Corona-Krise Hotspots gebildet, um Blutspenden zentral und nicht wie sonst üblich in einzelnen Orten abwickeln zu können. Unter strengen hygienischen Regel, die über das normale Maß hinausgehen, kann dort das für viele Kranke und Verletzte lebenswichtige Blut gespendet werden. Für den Landkreis Esslingen ist diese und nächste Woche die Filderhalle in Leinfelden so ein Hotspot. Auch wenn das öffentliche Leben weitgehend eingeschränkt sei, würden in gleichem Umfang Blutspenden benötigt. „Allein in Baden-Württemberg und Hessen zusammen jeden Tag 1000 Konserven“, erklärt Ron Wüst, der Leiter der DRK-Bereitschaft Leinfelden-Echterdingen. Einen Großteil davon erfordere die Therapie von Krebspatienten. Der 45-Jährige leitet die Aktion in der Filderhalle. Wegen des großen Zulaufs – pro Tag sind in dieser Woche etwa 130 Spender gekommen – habe man die Spendeaktion verlängert.

Sehr viele Erstspender

Wüst freut sich, dass offenbar ein großes Bewusstsein für die besonderen Bedürfnisse in besonderen Zeiten herrsche. Dass am vergangenen Montag gleich 30 Erstspender vor der Tür standen, findet er „richtig super“. Auch für die kommende Woche lägen schon viele Anmeldungen vor, längst nicht nur aus dem Filderbereich. „Viele fahren von weit her“, berichtet Wüst. Ohne Anmeldung – über die Rotkreuz-App oder die Homepage des Blutspendedienstes – gehe es aber nicht, denn nur so könne man auf volle Wartebereiche verzichten und so die Gefahr von Infizierungen minimieren. Die Filderhalle ist nach Aussagen des DRK-Bereitschaftsleiters der ideale Ort für so eine Sammelaktion, weil sie wegen der zentralen Lage gut zu erreichen sei, auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln, und genügend Parkplätze zur Verfügung stünden.

Der EZ-Reporter, seit etwa fünf Jahren regelmäßiger Blutspender im Stuttgarter Katharinenhospital, ist am Mittwoch testhalber selbst zum Aderlass in den Hotspot gekommen und hat, um es vorweg zu nehmen, beste Erfahrungen gemacht. Schon der Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma, der einen in Empfang nimmt und nach dem Namen und der vereinbarten Uhrzeit fragt, zeigt: Hier ist einiges anders als sonst. Erst wenn er einen namentlich aufruft, ist der Zutritt zur Halle erlaubt. Erste Station: Fieber messen lassen und die Hände unter den Augen eines strengen, mit Mundschutz und Visier vor dem Gesicht ausgestatteten Beobachters gut desinfizieren. Nur wenn keine erhöhte Temperatur festgestellt wird, darf man weitergehen zur nächsten Station. Regelmäßige Besucher kennen das: eine Einwilligung zum Datenschutz, ein Formblatt für die persönliche Entscheidung, ob das Blut verwendet werden darf, und ein vierseitiger Fragebogen, auf dem Dinge wie Gesundheitszustand, Reisetätigkeiten und sexuelle Gewohnheiten abgefragt werden. Unterschriften drunter, eine große „Merci“-Packung als Dankeschön sowie ein Getränk nach Wahl in Empfang nehmen und weiter geht’s.

Dreimal desinfizieren

Blutdruck messen und mit einem Pikser in einen Finger den Eisenwert bestimmen. Alles im grünen Bereich. Ein weiteres Mal wird die Körpertemperatur gemessen, diesmal genau. 36,4 Grad. Unbedenklich niedrig. Obligatorisch bei jedem Mal ein kurzes Vorgespräch mit einem Arzt. Ingolf Türck, Internist aus Stuttgart-Rohr, fragt nach dem Befinden und hakt nach, wo es im Fragebogen noch ungeklärte Dinge gibt. Alles unproblematisch. Noch einmal die Hände mit Desinfektionsmittel einreiben. Und schon fordert einen die DRK-Mitarbeiterin, wie alle in diesem Bereich mit Mundschutz ausgestattet, auf, sich auf eine freie Liege zu legen. Eine Vene ist diesmal schnell gefunden, Nadel rein und schon rinnt das Blut über ein Schläuchchen in einen Kunststoffbeutel. In wenigen Minuten ist alles vorbei. Um den Kreislauf nicht zu sehr zu belasten, soll der Spender noch fünf Minuten liegen bleiben. Dann ein drittes Mal die Hände desinfizieren. Ende der Prozedur.

Auf einen Ruheraum verzichtet man. Auch den sonst gewohnten Imbiss gibt es in Corona-Zeiten nicht. „Da hat sich noch keiner beschwert“, berichtet Ron Wüst. Die Stimmung sei sehr gut. Viele bedankten sich, dass die Rotkreuzhelfer auch oder gerade in diesen Zeiten zum Wohle der Allgemeinheit im Einsatz seien.

Für den 45-jährigen Familienvater, der im Hauptberuf als Projektleiter im Bereich Anlagen- und Gebäudetechnik tätig ist, ist es eine Selbstverständlichkeit, jetzt einzuspringen, wo er gebraucht wird. Die Corona-Krise fordert Ron Wüst von Anfang an. Schon als Ende Februar 15 Menschen, die mit dem Flugzeug aus Risikogebieten in China zurückkamen, als Verdachtsfälle in einem Kirchheimer Hotel für zwei Wochen unter Quarantäne gestellt werden mussten, fungierte er als Einsatzleiter – alles ehrenamtlich.