Im Februar war ein 66-jähriger Mann am Wendlinger Bahnhof zu Tode geprügelt worden. Ein 36-Jähriger wurde angeklagt. Nun sprach das Landgericht Stuttgart das Urteil.
Er hat einen Menschen im Februar im Bereich des Bahnhofs Wendlingen zu Tode geprügelt. Doch der im November 1988 geborene Angeklagte wurde von diesem Tatvorwurf frei gesprochen. Er sei schuldunfähig, urteilte die erste Strafkammer des Landgerichts Stuttgart.
Die Anklage im Ende Juli gestarteten Prozess hatte auf Totschlag gelautet. Doch die erste Strafkammer kam laut Pressestelle des Stuttgarter Landgerichts zu der Überzeugung, dass der Angeklagte an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis leide und deswegen nicht zur Rechenschaft gezogen werden könne. Die Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung wurde angeordnet. Auch Staatsanwaltschaft und Verteidigung hatten darauf plädiert.
Vor Gericht hatte der 36-Jährige ein widersprüchliches Verhalten an den Tag gelegt und war durch ungewöhnliche Attitüden aufgefallen. Bereits zum Auftakt waren Zweifel an seiner Schulfähigkeit aufgekommen. Während der ersten Prozesstage hatte er meist geweint. Doch im weiteren Verlauf der Verhandlung saß er wild gestikulierend an seinem Platz, plapperte vor sich hin, bewegte die Lippen, schien sich mit einer imaginären Person zu unterhalten und rief unvermittelt kurze Sätze in arabischer Sprache in den Gerichtssaal. „Ich habe nichts getan“, soll er laut Dolmetscher immer wieder gesagt haben.
Vier verschiedene Stimmen hörte der Angeklagte in seinem Kopf
Im Gespräch mit einem psychiatrischen Gutachter hatte der Mann von traumatischen Erlebnissen wie der Bombardierung seines Hauses während seiner Zeit im Gazastreifen berichtet. Er sei angeschossen worden und habe neun Monate nicht gehen können. 2005, so der Angeklagte gegenüber dem Gutachter, sei ein enger Freund ums Leben gekommen. Gott habe ihn aber wieder zum Leben erweckt, er begleite ihn seitdem überallhin, spreche zu ihm, beschütze ihn, gebe ihm Ratschläge und Anweisungen: „Wasche dich. Lege dich schlafen. Bleibe wach.“ Seit einigen Jahren höre er noch drei weitere Stimmen, sagte der 36-Jährige dem Gutachter.
Der Angeklagte hatte sich von seinem späteren Opfer verfolgt gefühlt. Der 66-Jährige habe ihn im Vorfeld der Tat mehrfach angegriffen, beleidigt und mit einem Stein sowie einer Eisenkette geschlagen. Am Wendlinger Bahnhof geriet die Situation im Februar außer Kontrolle. Die beiden Männer trafen aufeinander. Einer verbalen Auseinandersetzung war wohl eine tätliche gefolgt. Der Angeklagte hatte den Mann geschlagen, zu Boden geworfen und laut Gutachter mindestens vier Mal mit einem „beschuhten Fuß“ gegen den Kopf getreten. Der Geschädigte verstarb wenige Tage später in einer Klinik. Todesursache war laut Gutachter ein Schädel-Hirn-Trauma.
Der Angeklagte war zunächst geflüchtet, hatte am Wendlinger Rathaus aber dann selbst bei der Polizei angerufen. Auf Arabisch, mit wenigen Brocken Deutsch und mittels einer Übersetzungs-App versuchte der 36-Jährige laut Zeugenaussagen von Polizisten, sich verständlich zu machen. Auf dem Polizeirevier hatte er einige Zeilen auf arabisch hingekritzelt. Laut Verlesung vor Gericht wies der Angeklagte in seinem schriftlichen Statement alle Schuld von sich. „Ich schwöre Ihnen, dass ich mich nur verteidigt habe. Gott ist mein Zeuge. Ich bin kein Verbrecher“, stand laut Übersetzer auf der Notiz.