Gerade Menschen, die viel am Computer arbeiten, wollen ihre Augen mit einer Blaulichtfilterbrille schützen. Foto: PantherMedia / /Andriy Popov

Im Netz und in Optikergeschäften stößt man auf eine verbreitete Behauptung: Das von Bildschirmen abgegebene Blaulicht schadet den Augen. Eine Blaulichtfilterbrille soll Kopfschmerzen verhindern und die Schlafqualität verbessern. Stimmt das wirklich, oder steckt hinter dem Verkauf nur eine Marketingstrategie?

Handydisplays, Fernseher oder Computerbildschirme: Sie alle strahlen unter anderem blaues Licht ab. Neben dem UV-Licht ist Blaulicht die energiereichste Strahlung des Lichtspektrums, also der für den Menschen sichtbare Anteil der elektromagnetischen Strahlung. Zum Schutz der scheinbar möglichen Netzhautschäden durch Blaulicht verkaufen Optiker Blaulichtfilterbrillen, die ab 20 Euro ohne Stärke erhältlich sind. Das Versprechen der Anbieter: Das schädigende Blaulicht wird gefiltert, Kopfschmerzen, müde und tränende Augen sind damit Geschichte.

Wie schädlich ist Blaulicht?

Prinzipiell haben die Hersteller recht: Der mögliche tatsächliche Schaden von blauem Licht ist größer als bei längerwelligem Licht. Ein ausschlaggebender Punkt wird aber verschwiegen: Der Schaden hängt von der Dosis ab. „Die Dosis macht das Gift. Der Blaulichtanteil eines Bildschirms liegt immer noch weit, ich kann gar nicht oft genug weit sagen, unter irgendeinem Schadensniveau“ erklärt der Sehforscher Michael Bach.

Die Beleuchtungsstärke des Blaulichts draußen ist immer 100 Mal bei bedecktem Winterhimmel bis 100 000 Mal in der Mittagssonne höher als das, was ein Bildschirm abgibt. Die Dosis ist also so niedrig, dass auch bei stundenlangem Arbeiten am Computer, Serie schauen oder Scrollen durch Social-Media-Kanäle keine Schadensgrenze erreicht wird.

Das Starren in einen Laser

Netzhautschäden, mit denen den Konsumenten oft Angst gemacht wird, entstehen nicht durch die alltägliche Nutzung elektronischer Geräte. Erst der unsachgemäße Gebrauch von Lasern, die nicht deutschen Schutzklassen entsprechen, kann zu Netzhautschäden führen.

Einseitige Belastung

Gerade bei langer Arbeit an einem Bildschirm ermüden die Muskeln der Augen nicht durch das Blaulicht der Bildschirme, sondern durch zu wenig Abwechslung in der Blickrichtung und der Entfernung. „Unser Sehen ist dafür gebaut, den ganzen Tag zu funktionieren, aber nicht dafür, den ganzen Tag in dieselbe Richtung zu starren. Abwechslungsreiches Arbeiten ist also immer eine gute Sache“, so Bach. Regelmäßig den Arbeitsplatz verlassen, den Blick öfters in die Ferne schweifen lassen und somit die Entfernung ändern, sei eine ausreichende Möglichkeit, diese Form der Ermüdung zu verhindern.

Placebo-Effekt?

Wer mit einer solchen Brille tatsächlich positive Effekte wahrnimmt, der kann diese natürlich weiterhin nutzen. „Ich könnte mir vorstellen, dass Menschen auf das Tragen einer Blau absorbierenden Brille aufgrund von Placebo-Effekten positiv reagieren. Das sollen sie ruhig machen“, meint Bach.

Blaues Licht wirkt energetisierend und ist wichtig für unsere Stimmung. Laut einer Studie der „Association to Prevent Blindness in Mexico“ erhöht das permanente Wegfiltern von Blaulichtanteil demnach die Wahrscheinlichkeit von Depressionen und hat damit auch Nachteile. Bach hält das aber für einen kleinen Effekt. Bei jungen Menschen erwartet er durch das Tragen einer Blaulichtfilterbrille weder Vor- noch Nachteile.

Helles Licht vor dem Einschlafen

Viel Blaulicht am Abend sollte man aber trotzdem vermeiden. Der zirkadiane Rhythmus, das heißt die innere Uhr, wird durch viel helles Licht vor dem Einschlafen gestört. „Da kommt es aber nicht auf die Wellenlänge an. Die lichtempfindlichen Ganglienzellen, die den Rhythmus beeinflussen, sehen auch andere Wellenlängen. Entscheidend ist, dass man vor dem Schlafengehen das Licht reduziert“, rät Bach.

Fest steht: Es gibt keinerlei Studien, die den Schutz unserer Netzhaut durch Blaulichtfilterbrillen bestätigen. Wer sich so eine Brille zulegt, kann damit zwar ein modisches Statement setzen oder aufgrund von Placebo-Effekten eine positive Wirkung wahrnehmen. Letztendlich basiert der massenhafte Verkauf der Blaulichtfilterbrillen aber auf einer funktionierenden Marketingstrategie.