Seit dem Jahr 2000 ist Heinz Eininger Esslinger Landrat. Ende dieses Monats scheidet er aus dem Amt. Es ist ein Abschied mit Wehmut, aber auch mit Stolz.
Eine Ära geht im Kreis Esslingen zu Ende: 24 Jahre, seit dem 1. Oktober 2000, war Heinz Eininger Landrat des mit 542 500 Einwohnern drittgrößten Landkreises in Baden-Württemberg. Er galt als guter Vermittler und umsichtiger Krisenmanager, als Motor und Mahner, als engagierter Mehrheitsbeschaffer und ungeduldiger Schaffer. Mit seiner Amtsführung hat sich der CDU-Politiker Respekt und Anerkennung über Partei- und Kreisgrenzen hinweg erworben. Im Interview zieht Heinz Eininger eine Bilanz seiner Arbeit.
24 Jahre als Landrat sind eine lange Zeit. Was hat dieses Amt für Sie so besonders gemacht?
Für mich ist es eine der schönsten Aufgaben im Land. Das Amt des Esslinger Landrates erfüllt mich bis zum heutigen Tag. Es ist vielfältig und bietet einen großen Gestaltungsspielraum. Gerade in meinem Heimatlandkreis so entscheidend wirken zu dürfen, ist mir eine große Ehre.
Wie fällt Ihre persönliche Bilanz aus?
Ich denke, als Fazit kann man sagen, dass der Landkreis Esslingen hervorragend dasteht. Wir konnten in den vergangenen 24 Jahren viel bewegen. Sicher wurden auch mal Fehler gemacht, das lässt sich nicht ganz vermeiden. Die Aufgaben und der Verantwortungsbereich haben deutlich zugenommen. So sind mit der Verwaltungsreform 2005 zehn staatliche Behörden ins Esslinger Landratsamt eingegliedert worden. Weil die Kreisverwaltung weiterwächst, sind die Neubauten in Esslingen und Plochingen notwendig geworden.
Was war Ihnen in Ihrer Amtszeit besonders wichtig?
Mich haben vor allem drei Themen beschäftigt. Ganz zentral war für mich die Entwicklung unserer Kreiskrankenhäuser. Wir haben ab dem Jahr 2002 fünf Kliniken auf drei leistungsfähige Standorte konzentriert und strukturell verändert. Baumaßnahmen in einem Gesamtumfang von mehr als 300 Millionen Euro sind mit erheblichen Fördermitteln des Landes umgesetzt worden. Dadurch sind wir jetzt in der Lage, eine hohe medizinische und pflegerische Qualität bei gleichzeitig hoher Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten. Mein zweites großes Thema war die Bildung. Unsere Betriebe brauchen qualifizierten Nachwuchs. Gut ausgestattete Berufsschulen sind das wirksamste Mittel der Standortpolitik. Der Kreis hat viel Geld investiert, um beste Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches Lernen von Kindern und Jugendlichen zu schaffen. Bildung schenkt jungen Menschen Chancen. Zahlreiche Gebäude an allen Schulstandorten des Kreises wurden neu errichtet oder generalsaniert. Zudem wurden bestimmt um die 50 neue Bildungsgänge gemeinsam mit den Schulen geschaffen. Unsere Schulen sind Vorreiter bei der Digitalisierung.
Und drittens?
Der dritte Schwerpunkt meiner Amtszeit galt dem öffentlichen Nahverkehr. Wir haben in den vergangenen 24 Jahren einen unglaublichen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs erlebt. Alle Großen Kreisstädte sind inzwischen an die Schiene angebunden. Nach der Verlängerung der Stadtbahn nach Ostfildern-Nellingen sowie der S-Bahn von Plochingen über Wernau und Wendlingen bis nach Kirchheim geht der Ausbau jetzt weiter mit der Verlängerung der S-Bahn über Oberboihingen nach Nürtingen. Hinzu kommt die Stadtbahnverlängerung nach Echterdingen und zum Flughafen/Messe. Wenn man um die langen Planungszeiträume weiß, dann wird deutlich, dass hier sehr dicke Bretter zu bohren waren. Darüber hinaus war mir immer auch ein preiswertes und einfaches Ticketsystem wichtig. Denn nur so gelingt es, auch neue Fahrgäste gewinnen. Die Tarifzonenreform im Verkehrsverbund Stuttgart geht auf die gemeinsame Initiative des Stuttgarter Oberbürgermeisters Fritz Kuhn und mir zurück.
Wie sehr hat sich der Landkreis Esslingen unter Ihrer Ägide verändert?
Wir sind uns dem Wert unserer einzigartigen Kulturlandschaft bewusster geworden. Das verdeutlicht zum Beispiel die Schaffung des von der Unesco anerkannten Biosphärengebiets Schwäbische Alb, dem zehn Kreisgemeinden angehören. Oder nehmen wir den Klimaschutz: Er ist von der politischen Agenda und der Lebenswirklichkeit der Menschen nicht mehr wegzudenken. Wir sind den langen und steinigen Weg von der CO2-Minderungsstrategie des Jahres 2007 zum Integrierten Klimaschutzkonzept für den Landkreis gegangen. Heute gibt es einen konkreten Fahrplan für die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen. Als Sinnbild für den Wandel steht für mich das Freilichtmuseum des Landkreises in Beuren. Es hat sich von den Anfängen mit ein paar historischen Häusern hin zu einem sehr lebendigen Museumsdorf, zu einem historischen Lernort entwickelt, der Identität stiftet. Ein Landkreis ist aber nie fertig. Er wird sich ständig weiterentwickeln, weil sich die Rahmenbedingungen stetig ändern. Stichworte sind dabei Digitalisierung und Breitband oder Transformation und Strukturwandel in unseren Unternehmen.
Worauf sind Sie besonders stolz?
Dass uns die Umstrukturierung unserer Krankenhauslandschaft so gut gelungen ist. Manche Kämpfe haben die Mitglieder des Kreistags und ich über die Jahre ausfechten müssen. Es gab vereinzelt auch sehr persönliche Anfeindungen. Ich bin froh, dass wir durchgehalten haben. Der baden-württembergische Sozialminister Manfred Lucha spricht heute von einer „Benchmark“, von einem Vergleichsmaßstab, den wir mit unseren Klinikreformen gesetzt haben. Derzeit sind wir einer der wenigen Landkreise in Baden-Württemberg, der mit seinen Kliniken schwarze Zahlen schreibt, wahrscheinlich sogar der einzige.
Was war die größte Herausforderung, die Sie in Ihrer langen Amtszeit stemmen mussten?
Neben unserer eigenen Krankenhausreform? Das war das stete Ringen um eine solide Finanzlage des Landkreises. Die Haushaltsaufstellung war nie einfach. Ich erinnere mich an stürmische Zeiten. Anfang der 2000er Jahre waren wir mit fast 50 Hebesatzpunkten der „Kreisumlage-Krösus“ in Baden-Württemberg. Mit großer Beharrlichkeit ist es uns über die Jahre hinweg gelungen, Schulden abzubauen, die Kreisumlage sukzessive zu senken und gleichzeitig zu investieren. Inzwischen hat sich der Wind leider gedreht.
Was war denn der schönste Moment Ihrer Amtszeit?
Es hat viele schöne Momente gegeben. Das waren aber weniger große Ereignisse wie die Einweihung von Neubauten. Sondern vielmehr kleine Themen des Alltags: etwas zu bewegen, anderen helfen zu können. Vor allem aber waren es die Begegnungen mit Menschen, die mich am Ende eines Tages glücklich gemacht haben.
Gab es Ereignisse, die Sie nachdenklich gestimmt haben?
Ja, da hat es einige gegeben. Wenn ich zum Beispiel an die „Flüchtlingskrise“ in den Jahren 2015/16 denke. Oder auch an die Auswirkungen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges. Es macht mir große Sorge, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt verloren geht. Viele Menschen haben das Gefühl, dass es nicht mehr gerecht zugeht. Das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates schwindet zunehmend, weil es eine Diskrepanz gibt zwischen politisch formulierten Ansprüchen und der begrenzten Wirklichkeit. Ich würde mir wieder mehr Verbindlichkeit in der Politik wünschen.
Welches Vorhaben hätten Sie gern noch zu Ende gebracht?
Meine Devise lautet: Was man anfängt, macht man recht und schaut, dass man es auch zu Ende bringt. Insofern ist nichts offengeblieben. Ich wäre allerdings noch sehr gern in den Neubau des Landratsamtes in den Esslinger Pulverwiesen eingezogen, der Ende 2025 fertiggestellt wird. Das wird ein zukunftsweisendes Gebäude für die Mitarbeitenden der Kreisverwaltung.
Welchen Tipp möchten Sie Ihrem Nachfolger Marcel Musolf mit auf den Weg geben?
Ich habe keinen konkreten Ratschlag für ihn. Ich kann nur aus der Erfahrung der letzten Jahre sagen: Bei den großen Themen wie zum Beispiel Migration, Bildung, Wohnen, Energie, Klimaschutz, Digitalisierung fallen Versprechen der Politik und die Lebenswirklichkeit der Menschen immer mehr auseinander. Da tut Wahrhaftigkeit Not: Sagen, was geht, und was nicht geht – und dann auch entsprechend handeln. Ich bin gut damit gefahren, den Ausgleich zu suchen und Kompromisse zu finden. Politik mit Haltung und mit klarem Wertekompass zu gestalten, zahlt sich aus. Davon bin ich überzeugt.
Wie klingt das Wort Ruhestand für Sie?
Unwirklich. Wenn ich ehrlich bin, kann ich mir das noch gar nicht so richtig vorstellen. Mir hat die Arbeit immer Freude gemacht und mich ausgefüllt.
Worauf freuen Sie sich am meisten im neuen Lebensabschnitt?
Selbst über meinen Terminkalender bestimmen zu können. Darauf, mehr Zeit mit meiner Familie zu verbringen, vor allem mit meinen demnächst zwei Enkelkindern. Mit meiner Frau möchte ich gern noch Reisen unternehmen, das kam in den vergangenen Jahren zu kurz. Es gibt noch vieles, was wir sehen wollen.
Werden Sie sich ganz ins Privatleben zurückziehen?
Mich erreichen gerade viele Anfragen von Institutionen, Organisationen und Vereinen im Kreis, ob ich mich bei ihnen engagieren wolle. Ich beschränke mich auf die Mitarbeit in zwei Stiftungen. Es gibt auch noch ein Herzensprojekt: Ich kann mir sehr gut vorstellen, in Zukunft maßgeblich beim Aufbau des Deutsch-Israelischen Jugendwerkes mitzuwirken. Da der Landkreis Esslingen seit Jahrzehnten eine lebendige Partnerschaft mit Givatayim pflegt, habe ich viele Kontakte nach Israel. Die Förderung der Demokratiebildung, die Vorbeugung gegen Antisemitismus und die Aussöhnung mit dem israelischen Volk sind heute wichtiger denn je.
Das Gespräch führte Elke Hauptmann
Stationen auf dem Weg zum Esslinger Kreischef
Karriere
Geboren wurde Heinz Eininger 1956 in Großbettlingen (Kreis Esslingen). Nach Abitur, Grundwehrdienst und Studium der Rechtswissenschaften in Tübingen trat er 1985 in die Steuerverwaltung des Landes Baden-Württemberg ein. Er war unter anderem als Referent in der Landesvertretung in Bonn, für den Finanzausschuss des Bundesrates sowie als Pressesprecher des Finanzministeriums Baden-Württemberg tätig. Von 1992 bis zum Jahr 2000 war der CDU-Politiker Erster Bürgermeister der Stadt Kirchheim unter Teck.
Landrat
Der Jurist ist seit 1. Oktober 2000 Landrat des Landkreises Esslingen und somit Chef von rund 2500 Mitarbeitenden der Kreisverwaltung. 2008 und 2016 wurde er vom Kreistag jeweils für acht Jahre in seinem Amt bestätigt. Seine dritte Amtszeit endet am 30. September dieses Jahres. Eine erneute Kandidatur lehnte der dienstälteste Landrat Baden-Württembergs ab.