Mithilfe einer speziellen Computeranwendung behält das Team der Notaufnahme stets den Überblick. Foto: Roberto Bulgrin

Wenn Patienten in der Zentralen Notaufnahme des Klinikums Esslingen ankommen, dann entscheidet Schnelligkeit oft über Leben und Tod. Dafür ist nicht nur Team-Arbeit enorm wichtig, sondern auch, dass alle Rädchen ineinandergreifen.

An diesem Nachmittag ist wenig los in der Zentralen Notaufnahme (ZNA) des Klinikums Esslingen. Für Leiter Stephan Thomas und seine Kollegen ist das ein gutes Zeichen. Denn bei ihnen kommen meist nur die harten Fälle an, die „ungeplanten Aufnahmen“, wie der 52-jährige Oberarzt erklärt. Nicht selten geht es dabei um Leben und Tod. Neben Herzinfarkten und Schlaganfällen werden Sportverletzungen von dem Notfall-Team behandelt, und auch Opfer von Verkehrsunfällen oder Personen, die mit einem schweren Coronaverlauf ringen.

Zügig schreitet Thomas durch den weitläufigen Abschnitt des Klinikums, in dem die Notaufnahme untergebracht ist. Für Besucher wirkt der Bereich wie ein Labyrinth, ein Irrgarten aus Gängen und Zimmern. Nach einiger Zeit erreicht Thomas dann das Herzstück der Anlage: den sogenannten Schockraum. Das geflieste und mit allerhand Geräten und Apparaturen ausgestattete Zimmer kommt immer dann zum Einsatz, wenn es ernst wird. Wenn der Rettungsdienst Patienten bringt, die schnell erstversorgt werden müssen. Das ist nämlich die Hauptaufgabe von Thomas und seinen Kollegen.

Vorbereitung ist alles

„Wenn Sie als Notfallmediziner arbeiten“, erklärt der Anästhesist, „dann wissen Sie von ganz arg viel ein bisschen was. Das reicht, um den Patienten erstzuversorgen und in die richtige Spur zu bringen.“ Einem Fachspezialisten seien sie im „ersten ,Angriff‘ auf den Patienten“ überlegen. Wenn aber klar ist, was demjenigen fehlt, dann wüssten sie meist nicht genug. „Den Schockraum brauchen wir im Schnitt zwei Mal am Tag“, sagt der ZNA-Leiter. „Es gibt Tage, da benötigen wir ihn gar nicht, und es gibt auch Tage, da wird er so oft genutzt, dass wir den Raum kaum wieder aufgerüstet bekommen.“

Weil es meist sehr schnell gehen muss, ist im Schockraum alles penibel vorbereitet. Auf einer Edelstahloberfläche im Eingangsbereich liegt deshalb schon die typische Krankenhauskleidung bereit, zudem eine FFP2-Maske, ein Kunststoffgefäß, in dem Zahnprothesen, Schmuck und andere kleine Gegenstände verschlossen aufbewahrt werden, sowie ein verpacktes Abstrichstäbchen. Ankommende werden routinemäßig auf eine Corona-Infektion getestet.

Häufig werde bei Patienten mehr oder minder zufällig Covid diagnostiziert. Nach den schweren Monaten der Pandemie nehmen die schweren Fälle, die hier ankommen, jedoch wieder merklich ab. „Wir sind jetzt wieder auf dem Level von 2019, als es noch kein Corona gab.“ Noch vor kurzem, als die Inzidenz im Kreis auf mehr als 1000 hochgeschnellt war, hatten sie alle Hände voll zu tun. Die Coronapatienten kommen seit Monaten zum üblichen Tagewerk hinzu. „Wir sind immer noch sehr gebeutelt“, meint Thomas.

Mit vereinten Kräften

Inzwischen befasst sich das ZNA-Team wieder überwiegend mit internistischen Krankheitsbildern – Herzerkrankungen, Magenblutungen und Schlaganfälle etwa. Aber auch andere Notfälle landen in der ZNA. Sie gelangen über eine überdachte separate Zufahrt direkt zu den Experten der Notaufnahme. Das spart vor allem Zeit.

Mit dem, was in Arztserien gezeigt wird, hat der Alltag von Stephan Thomas meist nichts zutun. Er sei immer wieder erstaunt, was die Protagonisten im Fernsehen alles könnten. Heroisch geht es aber auch bei ihnen manchmal zu. So ist Thomas, der im Alter von 18 Jahren im Rettungsdienst angefangen hat, eine besondere Situation bis heute im Gedächtnis geblieben: „Wir hatten mal einen jungen Patienten, der uns mit einer schwersten Lungenentzündung gebracht wurde.“ Mit vereinten Kräften und enormem Aufwand ist es seinem Team gelungen, den Mann am Leben zu halten. „Er hat’s geschafft“, erzählt der Notfallmediziner.

„Wir sind zur Erstversorgung verpflichtet“

In der ZNA ist Teamarbeit enorm wichtig. In dem langen Gang, der zum Schockraum führt, steht eine junge Mitarbeiterin in blauem Kittel vor einem großen Bildschirm. Darauf ist zu sehen, in welchen Räumen welcher Patient auf welche Art und Weise behandelt wird. Mithilfe der Software organisiert sich das Team, die Anwendung dient auch der Kommunikation. Grafisch wird den Ärzten und Pflegekräften beispielsweise angezeigt, wie dringend der Patient oder die Patientin behandelt werden muss.

Entschieden wird das von einer speziell geschulten Fachkraft, diesen Vorgang nennt man Triage. Das Triage-Zimmer befindet sich in einem Gang, an dessen Wänden große Comic-Motive angebracht sind – für die Kinder, die hier behandelt werden, erklärt Thomas. Der Begriff Triage ist in der Coronazeit in Verruf geraten, denn als die Intensivstationen überquollen, wurde in manchen Ländern Europas nach militärischem Vorbild aussortiert, wer keine hohen Überlebenschancen hatte. Mit der Triage im Klinikum Esslingen hat das allerdings nichts zu tun. Hinter dem Begriff steckt dort viel mehr die Erfassung der Patienten. Also: Wie dringend muss wer behandelt werden? Versorgt wird jeder, der zu ihnen kommt.

„Wir sind zur Erstversorgung verpflichtet“, sagt Thomas. Sie stünden auch in engem Kontakt mit den anderen Kliniken im Landkreis. Hin und wieder helfen sie sich aus. Und selbst, wenn es in Esslingen kein Bett für den Patienten gibt, „ist eine Erstversorgung jederzeit möglich“, sagt Thomas.