Die Sammlerin Cornelie Hofferbert, die Museumschefin Birgit Knolmayer und der Leiter des Ortskuratoriums Fritz Fischer sind auf den Spuren von Adventskalendern. Foto: Simon Granville

Cornelie Hofferbert liebt Adventskalender. Ein Bruchteil ihrer 3500 Stück großen Sammlung hängt jetzt im Stadtmuseum in Gerlingen.

Briefmarken? Postkarten? Münzen? Mineralien? Nein. Cornelie Hofferbert gehört zwar zu den Menschen, die leidenschaftlich gern etwas sammeln – sie hat sich aber für Adventskalender beziehungsweise Türchenkalender entschieden, die sie schon als Kind magisch anziehen. Und somit auch dafür, das Hobby ihrer Mutter fortzuführen, begonnen in den 1930ern.

Eine – wahrlich nur kleine – Auswahl zeigt derzeit das Gerlinger Stadtmuseum. Das Schlosstheater in Ludwigsburg, das Hornmoldhaus in Bietigheim-Bissingen, das Alte Schloss in Stuttgart: In der Ausstellung „’Wahr-Zeichen‘ mit Türchen – Kulturdenkmale auf Adventskalendern“ sind rund 100 Stück aus der Sammlung der Stuttgarterin zu sehen. Die Exemplare zeigen kulturell und historisch bedeutsame Baudenkmale und Stadtansichten aus allen Bundesländern. Fast die Hälfte dieser Denkmale wurde mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz saniert und restauriert. Seit ihrer Gründung 1985 stellte sie für etwa 6000 Denkmale Finanzmittel zur Verfügung, davon 500 in Baden-Württemberg.

Die erste Ausstellung überhaupt, die sich dem Thema widmet

Die Stiftung widmet sich jedes Jahr einem Schwerpunktthema. 2024 geht sie mit dem Motto „Wahr-Zeichen. Zeitzeugen der Geschichte“ der Frage nach, warum gerade in dieser Zeit Denkmale als lebende Zeugen der Vergangenheit so wichtig sind. Dieses Thema wiederum greift jetzt die Ausstellung in Gerlingen auf. So ist die Schau eine des Ortskuratoriums Stuttgart der Stiftung.

Die Museumsleiterin Birgit Knolmayer spricht von einer „besonderen und wichtigen“ Ausstellung. Sie versetze die Besucherinnen und Besucher in eine weihnachtliche Stimmung. Darüber hinaus nehme sie sie mit auf eine „wunderbare Deutschlandreise“: Die Besucherinnen und Besucher würden wichtige Wahrzeichen kennenlernen und zugleich die bedeutsame Arbeit der Stiftung, die von privaten Spenden lebt. Es sei die erste Ausstellung überhaupt, die sich dem Thema Kulturdenkmale auf Adventskalendern widmet, sagt Fritz Fischer, der Leiter des Ortskuratoriums – in dem Cornelie Hofferberts Mann Mitglied ist.

„Was mir gefällt, kaufe ich“, sagt die Sammlerin Hofferbert

Nach Adventskalendern sucht das Paar gemeinsam. Auf Märkten und in Museumsshops, im Internet und in Buch-, Spielzeug- und Schreibwarenläden. Raritäten ergattert es, ebenso Neuerscheinungen. „Was mir gefällt, kaufe ich“, sagt Cornelie Hofferbert. Sie schätzt die Farbenpracht, die Vielfalt. Engel, Zwerge, Märchen, Weihnachtsmänner, Weihnachtsbäckereien, Weihnachtswerkstätten, weihnachtliche Postämter: „Es gibt nichts, was es nicht gibt.“

Die Sonderausstellung im Gerlinger Stadtmuseum zeigt 100 Türchenkalender aus der Sammlung von Cornelie Hofferbert. Foto: Simon Granville

Heute besitzen die Hofferberts gut 3500 Exemplare. Um den Überblick zu behalten, hat Cornelie Hofferbert eine Datenbank angelegt. Sie nennt Adventskalender ein „Kulturgut, das es zu bewahren gilt“. In Ausstellungen, speziell auch für Kinder, machen die Hofferberts seit Ende der 1990er Jahre darauf aufmerksam. Viele Kalendertürchen sind zugeblieben. „Das Bild würde sonst ein Stück weit leiden“, findet Cornelie Hofferbert. Wie das des Alten Rathauses in Esslingen.

Zeitenwende in den 1970er Jahren

Im Zuge der Ausstellungen beschäftigt sich Cornelie Hofferbert zunehmend mit der Geschichte von Adventskalendern wie auch Adventskränzen – die sich im Gerlinger Stadtmuseum nachlesen lässt. So sei es im 19. Jahrhundert üblich gewesen, Adventskalender selbst zu basteln. Mit Schokolade gefüllte Kalender hätten in den 1950er und 1960er Jahren geboomt. Mitte der 1990er Jahre dann: der erste Spielzeugkalender.

Ein Adventskalender mit leckeren Rezepten für Weihnachtsgebäck. Foto: Simon Granville

Fritz Fischer berichtet, dass Ende der 1970er eine neue Epoche begann: Statt alte Gebäude zu zerstören, um sie durch moderne Bauten zu ersetzen, hätten fortan die Vergangenheit und damit die historische Bausubstanz der Innenstädte einen hohen Stellenwert genossen. „Nun war die Bühne frei für Kulturdenkmale auf Adventskalendern“, sagt der Leiter des Ortskuratoriums Stuttgart. Unter anderem wurde bereits im Jahr 1972 das Denkmalschutzgesetz von Baden-Württemberg verabschiedet. Die Schau in Gerlingen, so Fischer, vermittle die Kulturgeschichte des Denkmals, des Kalenders und der Inszenierung.

Ein Weihnachtsmarkt vor dem Brandenburger Tor?

Manche Adventskalender werfen einen Blick zurück in eine Welt, die es nicht mehr gibt, zeigen (sich ändernde) Zeitgeschichte, den (sich ändernden) Zeitgeist. Manche Denkmale sind „ganz nüchtern fotografiert“, öfter aber sind sie umfangreich inszeniert, zum Teil völlig frei, und außerdem genutzt zu Werbezwecken. Zu sehen ist hier der Stuttgarter Hauptbahnhof samt inzwischen abgerissenem Flügel, da die Dresdner Frauenkirche. Fritz Fischer erläutert: Sie sei als Ruine jahrzehntelang ein Zeugnis des Zweiten Weltkriegs und seiner Zerstörungen gewesen. Seit ihrer Rekonstruktion 2005 gelte sie als ein Symbol für Hoffnung und Versöhnung. Anders als der Kalender es darstellt, hat es vor dem Brandenburger Tor noch nie einen Weihnachtsmarkt gegeben, und in Tübingen spielt der Weihnachtsmann auf dem Weihnachtsmarkt Cello – der Kalender als ideales Marketinginstrument.

Im Jahr 2017 ist Cornelie Hofferbert mit ihrem Mann im Wohnmobil durch die neuen Bundesländer gereist. „Der Kalender erinnert mich an die Reise“, sagt die Sammlerin, als sie vor dem Motiv der Schlosskirche in Wittenberg steht – gerade schlägt Martin Luther seine Thesen an die Tür. Dass Kulturdenkmale fiktiv in einen historischen Kontext versetzt werden, begegne einem in der Ausstellung häufiger, sagt Fritz Fischer.

Cornelie Hofferbert hat einen Lieblingskalender

Ihren Lieblingskalender hat Cornelie Hofferbert auch mitgebracht: Er zeigt den Kornspeicher von 1899 in Münster, der seit 1999 das Verlagsgebäude von Coppenrath ist. Am Kreativkai des Hafens war sie schon. Sie schwärmt nicht nur von den „Figuren wie Scherenschnitte“. Der Backstein-Stil fasziniere sie, „er strahlt Wärme aus“.

Auch Cornelie Hofferberts Lieblingskalender hängt im Gerlinger Stadtmuseum: Er zeigt den Kornspeicher von 1899 in Münster, der seit 1999 das Verlagsgebäude von Coppenrath ist. Foto: Simon Granville

Der Gerlinger Adventskalender

Die Schau
 Bis 2. Februar hängen die 100 Adventskalender von Cornelie Hofferbert im Gerlinger Stadtmuseum. Die Leiterin Birgit Knolmayer hat sich ein umfangreiches Begleitprogramm überlegt. Die Kinderwerkstatt hat sich in ein weihnachtliches Wunderland mit Adventskalendern verwandelt.

Der Kalender
 „Auch unser Haus ist ein Wahrzeichen“, sagt Birgit Knolmayer. Daher gibt es eigens zur Ausstellung einen Gerlinger Adventskalender, gestaltet von der Stuttgarter Künstlerin Sabine Koch. Erhältlich ist er für vier Euro im Museumsshop und in der Buchhandlung one. Laut Fritz Fischer vom Ortskuratorium Stuttgart der Deutschen Stiftung Denkmalschutz hat Gerlingen 53 eingetragene Kulturdenkmäler. Diese Info hat er beim Landesamt für Denkmalpflege in Esslingen eingeholt. „Bis heute ist noch nie ein Förderantrag aus Gerlingen bei uns eingegangen“, so Fischer.