Hotels und Gastronomie suchen händeringend nach Personal. Foto: imago images/Westend61/Sigrid Gombert

Rund 4000 Ausbildungsbotschafter gibt es in Baden-Württemberg. Erik Mann wirbt an Schulen für eine Ausbildung.

Erik Menn ist Ausbildungsbotschafter bei der H & B Electronic in Deckenpfronn, einem Zulieferer der Autoindustrie und der Medizintechnik. Das Unternehmen mit seinen 330 Mitarbeitern stellt Komponenten aus Metall und Kunststoff her – und sucht händeringend fachlichen Nachwuchs.

Menn lernt im dritten Ausbildungsjahr Werkzeugmechaniker. Den Schülerinnen und Schülern einer Gemeinschaftsschule gibt er Einblick in seinen Azubi-Alltag – „auf Augenhöhe“, wie es Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut ausdrückt. Nicht zuletzt weil während der Corona-Pandemie viele Berufs-Praktika nicht möglich waren, fehlt den jungen Menschen genau dieser Einblick in die Unternehmen. Menn erlebt viele Schüler „planlos“, wie er sagt. Jetzt kann er erste Erfolge vorweisen: zwei Schüler haben sich zum Praktikum bei H & B Electronic angemeldet.

Bestimmte Berufe geraten aus dem Blick

Aber es sind nicht nur die mangelnden Bewerberzahlen, weswegen Stephan Schöne sich sorgt. Es ist auch die Berufswahl der jungen Menschen. Mechatroniker und Fachinformatiker sind Trendberufe, erläutert er. Die klassischen Berufe wie Werkzeugmechaniker oder Verfahrensmechaniker Kunststofftechnik würden dagegen aus dem Blickfeld geraten. Über den Ausbildungsbotschafter Menn sollen nicht zuletzt diese dringend benötigten Berufe zumindest an einzelnen Schulen wieder mehr in den Fokus gerückt werden. Viele Berufsbilder haben sich zudem über die Jahre grundlegend geändert, weiß Christian Rauch, Leiter der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit.

Menn ist einer von 4000 Ausbildungsbotschaftern in Baden-Württemberg, die direkt in den Schulen informieren sollen. Das System gibt es seit 2011 im Südwesten; bis Mitte 2024 ist die Finanzierung gesichert. Darüber hinaus gibt es auch Senior-Ausbildungsbotschafter; dies sind meist Ausbildungsleiter, die zu den Elternabenden an die Schulen gehen. Denn 80 Prozent der jungen Leute treffen ihre Berufswahl gemeinsam mit ihren Eltern, erläutert Kultusstaatssekretärin Sandra Boser. Gleichzeitig sollen die Eltern sensibilisiert werden, welchen Chancen eine Berufsausbildung für ihre Kinder hat.

Die Sorgen der Unternehmen sind groß

Die Sorgen der Unternehmen sind groß, fachlichen Nachwuchs zu bekommen. „Flächendeckend verzeichnen unsere Betriebe in allen Branchen und Größenklassen große Schwierigkeiten, genügend Bewerberinnen und Bewerber für die angebotenen Ausbildungsplätze zu finden“, klagt Thomas Bürkle, der Vizepräsident des Verbands Unternehmer (UBW) Baden-Württemberg. Nach dem coronabedingten Lockdown fordert er einen „Neustart der beruflichen Orientierung in allen Schularten“. Schulen seien dabei unverzichtbare Partner.

So wirbt denn Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut für die duale Ausbildung: „In Verbindung mit dem hohen Praxisbezug bietet eine berufliche Ausbildung große Chancen und Entwicklungsperspektiven für unsere Jugendlichen“. Denn: „Für eine digitale und nachhaltige Wirtschaft und den Klimawandel brauchen wir beruflich gut qualifizierte Fachkräfte“, betonte die CDU-Politikerin.

Tatsächlich geht die Schere zwischen Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz suchen, und der Zahl der angebotenen Stellen weiter auseinander. Noch gesucht werden vor allem Kaufleute im Einzelhandel, Medizinische Fachangestellte, Köche und Köchinnen, Kaufleute Büromanagement sowie Fachkräfte Lagerlogistik und Hotel-Fachleute. Kein Widerspruch: Diese Berufe gehören teilweise zu den beliebtesten Berufen gerade bei jungen Mädchen. Junge Männer präferieren dagegen Kfz-Mechatroniker, Industriemechaniker und Fachinformatiker.

Für das gerade begonnene Ausbildungsjahr sind insgesamt noch mehr als 11 300 Ausbildungsplätze unbesetzt – ein Höchstwert. Gleichzeitig sind auch noch gut 1000 Jugendliche unversorgt; rund ein Drittel davon habe keinen Abschluss oder habe die Werkrealschule (Hauptschule) absolviert, geht aus der Statistik der Arbeitsagentur hervor. Auffallend auch: knapp die Hälfte der Unversorgten sind Altbewerber, deren Schulabschluss also mindestens ein Jahr zurückliegt.

Zuwanderung bringt keine Entlastung

Wer nun glaubt, Schutzsuchende könnten den Azubi-Mangel beheben, irrt. Denn zuletzt sind die Zahlen der Bewerberinnen und Bewerber, die keinen deutschen Pass haben, gesunken. Suchten im Herbst 2018 noch mehr als 15 000 Nicht-Deutsche hierzulande einen Ausbildungsplatz, sind es aktuell noch knapp 11 500. Die häufigsten Staatsangehörigkeiten waren Syrien, gefolgt von der Türkei, Italien und Rumänien. Auch geflüchtete Ukrainer und Ukrainerinnen stehen aktuell dem Ausbildungsmarkt noch nicht zur Verfügung. Sie verfügen oftmals noch nicht über ausreichende Sprachkenntnisse oder haben keinen Schulabschluss. Von 91 gemeldeten ukrainischen Bewerbern haben 26 eine Ausbildung ergattert. Davon sind 5 in einer geförderten Ausbildung. Lediglich 7 gelten derzeit als unversorgt.