Denis Ménochet und Isabelle Adjani in einer Szene des Films „Peter von Kant“. Der Film eröffnete als Weltpremiere die 72. Internationalen Filmfestspiele Berlin. Foto: dpa/C. Bethuel

Trotz Omikron & Co. feiern die Internationalen Filmfestspiele ihre Eröffnungsgala. Aber kann ein Festival mit Maskenschutz und Dauertests funktionieren? Die ersten Stars sagen schon wieder ab. Dafür ist der Eröffnungsfilm ein Gewinn: „Peter von Kant“ des Franzosen François Ozon.

Berlin - Nun haben sie also begonnen, die 72. Internationalen Filmfestspiele Berlin, die in diesem Jahr – so viel stand schon vor der feierlichen Eröffnung am Mittwochabend fest – ein Festival der ganz besonderen Art sein werden. Die einen, allen voran natürlich der Künstlerische Leiter Carlo Chatrian, die Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek und die neue Kulturstaatsministerin Claudia Roth, feiern die Berlinale als Präsenzveranstaltung als Booster fürs Kino und deutliches Bekenntnis zur Kultur. Die anderen empfinden eine Großveranstaltung auf der Höhe der neusten Pandemiewelle als fatales, unsolidarisches Signal und natürlich als potenziellen Infektionsherd.

Unabhängig davon, was die nächsten Tage noch an Diskussionen dazu bringen werden, gibt es zum Auftakt eine erfreuliche Nachricht: Aus filmischer Sicht startet die Berlinale – keine Selbstverständlichkeit in der Festivalgeschichte – durchaus erfreulich. Als Eröffnungsfilm lief „Peter von Kant“, das neue Werk des französischen Vielfilmers François Ozon (dessen vorangegangener Film „Alles ist gut gegangen“ 2021 in Cannes lief und überhaupt erst im April in die deutschen Kinos kommt), der einmal mehr zu überzeugen weiß.

Ozon nimmt sich Fassbinder vor

Daraus, dass Rainer Werner Fassbinder zu seinen ganz großen Vorbildern gehört, hat Ozon nie einen Hehl gemacht; bereits vor 22 Jahren etwa hatte er früh in seiner Karriere dessen Theaterstück „Tropfen auf heiße Steine“ verfilmt (und auf der Berlinale gezeigt). Mit „Peter von Kant“ geht er nun noch einen Schritt weiter und nimmt sich Fassbinders Werk genauso vor wie ihn als Person. Einerseits ist der Film nämlich eine sehr freie Adaption des Fassbinder-Stücks „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“, das der deutsche Filmemacher 1972 auch selbst verfilmte, andererseits ein Spiel mit seiner Biografie. Peter von Kant (Denis Ménochet) ist ein erfolgreicher Regisseur, der Anfang der siebziger Jahre in Köln lebt und mit Fassbinder mehr teilt als nur den Schnurrbart und die Lederjacke. Genau wie im Original die titelgebende Modeschöpferin hat auch er in seiner luxuriös-weitläufigen Wohnung Personal. Sein ihn anhimmelnder junger Assistent Franz (Stefan Crépon) presst den O-Saft, serviert Champagner, hilft beim Stiefelanziehen, tippt die Drehbücher – und hat ansonsten den Mund zu halten und sich erniedrigen zu lassen.

Doch die Machtdynamik in der Welt des Peter von Kant kippt, als er durch die glamouröse Schauspielerin Sidonie (Isabelle Adjani), der er einst den Durchbruch bescherte, bevor sie nach Hollywood verschwand, den hübschen Amir (Khalil Garbira) kennenlernt. Hals über Kopf verliebt er sich in den Jüngling, will ihn zum Star machen und verfällt ihm so sehr, dass er zwischen zu viel Gin und Tonic und Koks bald selbst der Gedemütigte ist.

Für Fassbinder-Fans ist es eine Freude zu sehen, wie kunstvoll Ozon seine verschiedenen Einflüsse verknüpft. Hier die Kammerspielatmosphäre des Originals und der – jenseits der Geschlechterrollen – kaum veränderte Plot, dort die eingeflochtenen biografischen Details, vom Nachnamen des Angebeteten bis hin zum Werben um Romy Schneider. Auch Anspielungen an andere Werke lassen sich finden, etwa wenn Isabelle Adjani eine deutsche Version des Songs „Each Man kills the Thing he loves“ singt, den damals Jeanne Moreau in Fassbinders „Querelle“ zum Besten gab. Und Hannah Schygulla, die 1972 die junge Geliebte spielte, als Mutter des Protagonisten ist das i-Tüpfelchen.

Dass „Peter von Kant“ letztlich ein Spiel mit Referenzen bleibt, statt gängigen Fassbinder-Narrativen eine neue Interpretation hinzuzufügen? Geschenkt. Als Hommage und durchdesignte Seventies-Stilübung macht der Film viel Freude.

Lichte Kinosäle, kaum Gäste

Von Letzterer wird die Berlinale in den kommenden Tagen noch mehr gebrauchen können, denn zumindest in den ersten Festivalstunden herrschte am Potsdamer Platz gestern Skepsis und verhaltene Stimmung vor. Etliche Kinosäle, die ohnehin nur zur Hälfte belegt werden, blieben zumindest presseseitig halb leer; dass nicht zuletzt aus dem Ausland deutlicher weniger Gäste angereist sind, ist unübersehbar, und das nicht nur unter den Journalistinnen und Journalisten. Die jenseits der Wettbewerbsjury, zu der neben US-Regisseur M. Night Shyamalan auch die deutsche Regisseurin Anne Zohra Berrached sowie der frisch Oscar-nominierte Japaner Ryūsuke Hamaguchi gehören, ohnehin wenig prominente Gästeliste verringerte sich gestern jedenfalls weiter.

Auch Glamour für den Eröffnungsfilm fehlte: Frankreichs Kinolegende Isabelle Adjani, die 1989 in Berlin mit dem Silbernen Darstellerinnen-Bären ausgezeichnet wurde, sagte ihre Teilnahme an der Weltpremiere von „Peter von Kant“ ohne weitere Angabe von Gründen kurzfristig ab.