Hat Lukaschenko den Zensurhammer ausgepackt? (Archivbild) Foto: dpa/Dmitri Lovetsky

Präsident Lukaschenko zufolge zieht die Nato Truppen an der Grenze zusammen. Seine Gegner sehen darin indes ein Manöver. Am Sonntag könnten wieder Hunderttausende auf die Straße gehen. Zuvor ist von einer massiven Blockade des Nachrichtenzugangs die Rede.

Minsk - Vor einer für Sonntag geplanten Großkundgebung der Opposition in Belarus gibt es Klagen über einen massiv beschränkten Zugang zu unabhängigen Nachrichten über die Protestbewegung. Mehr als 50 Medienwebseiten seien nicht mehr abrufbar, wie der belarussische Journalistenverband am Samstag mitteilte. Betroffen von den Blockaden seien der US-finanzierte Sender Radio Liberty und Belsat, ein mit Mitteln aus Polen betriebener Satelitten-TV-Kanal mit Fokus auf das Nachbarland. Erst am Freitag hatte die staatliche Verlagsanstalt bereits den Druck der unabhängigen Zeitungen „Narodnaja Wolja“ und „Komsomolskaja Prawda“ eingestellt, offiziell wegen technischer Probleme.

Der langjährige Präsident Alexander Lukaschenko steht nach der umstrittenen Wahl massiv unter Druck. Seine Gegner wollen mit einer neuen Großdemonstration am Sonntag nachlegen. „Wir sind unserem Traum näher als jemals zuvor“, sagte die nach Litauen geflüchtete Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja in einer Videobotschaft an ihre Anhänger. Lukaschenko, der Belarus seit 1994 mit harter Hand regiert, bekräftigte am Samstag bei einem Truppenbesuch in Grodno nahe der Grenze zu Polen und Litauen seine Behauptung, dass westliche Staaten die Proteste anheizten und die Nato Soldaten auf der anderen Seite der Grenze in Stellung bringe. Das Militärbündnis wies dies aber vehement zurück.

Mit seiner Wahlgegnerin Tichanowskaja versuche der Westen bereits eine „alternative Präsidentin“ aus dem Hut zu zaubern, sagte Lukaschenko. „Die militärische Unterstützung ist offenkundig - die Bewegung von Nato-Truppen an die Grenzen.“

Nach Darstellung der Wahlkommission erreichte Lukaschenko bei der von massiven Manipulationsvorwürfen begleiteten Wahl am 9. August rund 80 Prozent der Stimmen und sicherte sich damit seine sechste Amtszeit. Tichanowskaja kam demnach auf zehn Prozent. Die EU erkennt das Wahlergebnis nicht an, die belarussische Opposition spricht von dreistem Betrug und fordert Lukaschenkos Rücktritt.

Geschätzt 200 000 Menschen hatten am vergangenen Sonntag an der letzten Großkundgebung gegen ihn in Minsk teilgenommen. Zudem gibt es Streiks im ganzen Land, und das obwohl die Polizei die Proteste in den ersten Tagen nach der Wahl brutal niedergeschlagen hatte. Rund 7000 Personen wurden festgenommen, von denen viele übel zugerichtet wurden. Das harsche Vorgehen scheint den Umfang der Proteste jedoch noch ausgeweitet zu haben. Einige Beamte quittierten inzwischen den Dienst und posteten sogar Videos, die sie beim Niederbrennen ihrer Uniformen zeigten.

Am Samstag bildeten Hunderte in Weiß gekleidete Frauen aus Protest gegen die Regierung eine menschliche Kette in Minsk, für den Abend war eine größere Kundgebung geplant. „Drohungen, Einschüchterung, Blockaden funktionieren nicht mehr. Hunderttausende Belarussen sagen ihm: „Geh weg“! - in allen Ecken und Plätzen“, erklärte Demonstrantin Anna Skuratowitsch, eine der Teilnehmerinnen in der Kette.

Die Proteste richten sich inzwischen auch allgemein gegen eine sich verschlechternde Lebensqualität in Belarus. Viele sind zudem wütend über Lukaschenkos Umgang mit der Corona-Pandemie, die er immer wieder heruntergespielt hat.