Hannes Hoetzel (links) und Antonio de Lorenzis erklären, wie die digitale Kommissionierung abläuft Foto: Ait Atmane - Ait Atmane

Ältere Mitarbeiter in Unternehmen haben oft Berührungsängste gegenüber digitalen Technologien, die junge Generation hingegen nicht. Als „Digiscouts“ sichten deshalb Auszubildende die digitale Potenziale in ihrem Unternehmen und werden dabei manchmal auch zu Lehrenden.

EsslingenÄltere Mitarbeiter in Unternehmen haben oft Berührungsängste gegenüber digitalen Technologien, die junge Generation kennt gar kein Leben ohne Smartphone und Apps. Als „Digiscouts“ sichten deshalb Auszubildende die digitale Potenziale in ihrem Unternehmen und werden dabei manchmal auch zu Lehrenden. Am Samstag wurden im Econvent in Esslingen die Ergebnisse des sechsmonatigen Projekts vorgestellt.

„Digiscouts“ ist ein Projekt des RKW-Kompetenzzentrums, einem vom Bundeswirtschaftsministerium geförderter Verein, der kleine und mittelständische Unternehmen in ihrer Weiterentwicklung unterstützt. Es wurde in Zusammenarbeit mit der örtlichen Industrie- und Handelskammern (IHK) ausgeschrieben und umgesetzt.

Acht Unternehmen und ihre Azubis waren in der Region Esslingen dabei und stellten nun vor, welche Ideen sie umgesetzt haben. An den Präsentationsständen waren häufig Tablets im Einsatz, denn sie spielen auch bei vielen der Projekte eine tragende Rolle. So haben Julius Kauderer und Marcia Bender im Autohaus Jesinger ein „digitales Tankbuch“ entwickelt. Beim Betanken der eigenen Flotte notieren die Mitarbeiter die Daten jetzt nicht mehr von Hand, sondern geben sie in eine Tabelle im Tablet ein. Die Buchhaltung spart sich damit das Abtippen, das immer auch eine Fehlergefahr birgt, wie Marcia Bender weiß. Als Auszubildende zur Kauffrau für Büromanagement erlebt sie direkt die Vorteile des neuen Systems, das sie mitentwickelt hat – zusammen mit Julius Kauderer, der Mechatroniker wird, sich im Zuge des Projektes aber auch mit kaufmännischen Dingen beschäftigt hat. Die beiden haben auch die betroffenen Mitarbeiter geschult. Nicht alle seien gleich begeistert gewesen, verrieten sie: „Aber wir haben es ihnen gezeigt, und jetzt klappt es auch.“

Dass zwei Azubis aus unterschiedlichen Bereichen zusammenarbeiten, ist charakteristisch für Digiscouts. Bei Westermann-Innenausbau, einer Denkendorfer Firma, waren es Schreiner-Azubi Hannes Hoetzel und Antonio de Lorenzis, der Technischer Produktdesigner lernt. Sie hatten ihren Ansatzpunkt schnell gefunden: Während andere Unternehmensbereiche bereits digitalisiert waren, lief die Kommissionierung bislang komplett „händisch“ über Listen, die die Mitarbeiter abhakten. Dabei sei es häufiger zu Fehlern gekommen, vor allem habe man die Waren nach dem Versand nicht nachverfolgen können, berichteten die Auszubildenden. Deshalb wurde ein System mit Barcodes entwickelt und eine Scanstation gebaut, die automatisch das passende Verpackungsmaterial zuweist und den Weg der Paletten nachvollziehbar macht. Mit Begeisterung schilderten die beiden die neuen Möglichkeiten, die seit Anfang Dezember in der Praxis genutzt werden.

Begeistert seien auch die Lager-Mitarbeiter beim Fahrzeugteile-Großhändler Fierthbauer, berichtete Azubi Athanasios Papadopoulos: Ihre täglichen Fußwege konnten von knapp 20 Kilometern auf weniger als die Hälfte reduziert werden. Zu verdanken ist das einem Paternoster-Lagerautomat, mit dem die häufigsten Kleinteile angewählt werden können. Der Azubi hat diese erste digitale Kommissionierstation im Unternehmen zusammen mit seinem Ausbilder konzipiert und umgesetzt. Beim Werkzeug-Hersteller Bilz schwebte Ausbilder Thomas Rumpf schon lange eine Software vor, die die Kunden bei der Bestellung im Internet zum richtigen Produkt führt. Er hatte das Thema sogar schon für eine Bachelorarbeit ausgeschrieben – erfolglos. Mit Marvin Schweikhardt konnte er den „Product Selector“ nun im Rahmen der Digiscouts realisieren. Der angehende Industriekaufmann erstellte ein Konzept für den Aufbau des Konfigurators, traf sich regelmäßig mit dem IT-Experten des Unternehmens, ließ eine andere Auszubildende die erforderlichen technischen Zeichnungen erstellen und hat nach eigenen Worten jede Menge gelernt, sowohl über EDV als auch über Projektmanagement. „Wie setz ich meine Time-Lines, wie koordiniere ich das Ganze“ – das sei eine wichtige Erfahrung, die er mitnehme, sagte er. Darüber hinaus konnte sich der junge Mann im Unternehmen beweisen und ist mit seinen Vorgesetzten einig, dass er bei Bilz ein duales Studium absolvieren will.

Weitere Digiscout-Projekte richteten sich an die Azubis der Firmen: So wurde bei J.W. Fröhlich eine Lernplattform mit Prüfungsinhalten eingerichtet. Die Projektteilnehmer von Eberspächer haben technische und kaufmännische Lernfilme erstellt, und beim Esslinger Ingenieurbüro Hemminger geht eine eigene Internetseite für die Auszubildenden an den Start.

Ganz egal, welchen Inhalt die Projekte hatten – immer hatten die Azubis selbst „den Hut auf“, betonte Mandy Pastohr, die Geschäftsführerin des RKW-Kompetenzzentrums. Sie hätten Ideen eingebracht, aber auch vielfältig profitiert. So wurden die Azubis zu Projektentwicklern und manchmal von Lernenden zu Lehrenden. Sie tauschten sich ebenso mit anderen Bereichen ihrer Firma aus wie mit den Projektteilnehmern der anderen Firmen.

Die Unternehmen konnten dagegen „digitale Lücken“ bearbeiten und sich – auch das ist ein wichtiger Aspekt – als attraktiver Ausbildungsbetrieb positionieren. Die IHK Bezirkskammer Esslingen-Nürtingen wolle auch nach dieser ersten Digiscout-Runde „dafür sorgen, dass dieses Projekt weiterlebt und weiter Früchte trägt“, kündigte deren Präsident Heinrich Baumann an.