Seit mehr als 20 Jahren wartet die Esslinger Stadtbücherei auf eine Erweiterung – nun will die Stadt das Schlusskapitel dieser unendlichen Geschichte schreiben.
EsslingenKaum ein Thema hat die Esslinger in den vergangenen Jahren so bewegt wie die Zukunft ihrer Stadtbücherei. Nun sollen die jahrelangen Diskussionen ein Ende haben: Beim Bürgerentscheid am 10. Februar können die rund 70 000 Kommunalwahlberechtigten darüber abstimmen, ob sie den vom Gemeinderat gewünschten Neubau zwischen Küferstraße und Kupfergasse oder lieber eine Modernisierung und Erweiterung der aktuellen Bibliothek im Bebenhäuser Pfleghof zwischen Heu- und Webergasse wollen. Mit dem Bürgerentscheid wird nun das letzte Kapitel einer schier unendlichen Geschichte geschrieben. Denn die ersten Überlegungen, die Bibliothek um das Nachbarhaus Heugasse 11 zu erweitern und auf den neuesten Stand zu bringen, reichen bis in die 90er-Jahre zurück. Seither war immer wieder über die Bibliothek der Zukunft diskutiert worden – getan hat sich lange nichts. Nun soll es endlich vorwärts gehen. Unklar ist nur, an welchem Ort.
Die Entscheidung soll der Bürgerentscheid am 10. Februar bringen. Nachdem sich der Gemeinderat Mitte Juni mehrheitlich für einen Neubau zwischen Küferstraße und Kupfergasse ausgesprochen hatte, brachte eine Initiative bereits am folgenden Tag ein Bürgerbegehren auf den Weg, das von 11 187 kommunalwahlberechtigten Esslingerinnen und Esslingern unterstützt worden war – um das Quorum für einen Bürgerentscheid zu erreichen, wären 4876 Unterschriften nötig gewesen. Doch die Hürden sind weiterhin hoch: Beim Entscheid am 10. Februar genügt nicht die einfache Mehrheit, um den Gemeinderatsbeschluss für den Neubau in der Küferstraße aufzuheben. Wenn die Stimmenmehrheit für „Ja“ oder für „Nein“ mindestens 20 Prozent der Stimmberechtigten entspricht, ist der Bürgerentscheid im jeweiligen Sinne entschieden.
Dass das Interesse an der Zukunft der Esslinger Stadtbücherei groß ist, kommt nicht von ungefähr: Jahrelang wurden im bundesweiten Bibliothekenvergleich BIX Spitzenplätze erzielt – und das, obwohl die Einrichtung immer deutlicher an ihre Grenzen stieß und die Notwendigkeit einer Erweiterung und Modernisierung immer drängender wurde. Als die Bücherei 1989 in den Bebenhäuser Pfleghof einzog, war von einem „großen Wurf“ die Rede. Doch es dauerte nicht lange, bis mehr Platz benötigt wurde. Das lag nicht nur an einem immer differenzierteren Medienangebot, das mit den Jahren kontinuierlich wuchs, sondern auch an den veränderten Anforderungen, die an Bibliotheken heute gestellt werden. Längst sind sie nicht mehr bloß eine gute Adresse, an der man sich mit Lesestoff versorgt. Heutzutage sind Bibliotheken auch Orte der Begegnung, der Kultur, des Lernens und der Teilhabe. Zunehmend werden etwa Arbeitsplätze gebraucht, an denen Besucher einzeln und in Gruppen arbeiten können – und zwar in Ruhe. Doch das ist angesichts der räumlichen Enge in der aktuellen Bibliothek, in der sich ruhige und belebte Bereiche kaum voneinander trennen lassen, immer schwieriger zu machen. Hinzu kommt, dass sich die Stadt in den letzten Jahren mit Investitionen in die Bücherei schwertat, weil man stets die Erweiterung und Modernisierung im Blick hatte, an deren Notwendigkeit kaum einer ernsthaft gezweifelt hatte.
Lange Jahre war beim Thema „Bücherei der Zukunft“ allein der Bebenhäuser Pfleghof im Gespräch, der um das Nachbarhaus Heugasse 11 erweitert werden sollte. Letzteres hatte die Stadt schon länger gekauft – vor vielen Jahren mussten die Mieter auch mit Blick auf die Erweiterung dort ausziehen. Seither steht das Nachbarhaus der Bücherei leer. Wie eine moderne Bibliothek in einem um die Heugasse 11 erweiterten Bebenhäuser Pfleghof aussehen könnte, hat ein Esslinger Architekturbüro schon vor Jahren in zwei Studien aufgezeigt. 2013 folgte dann die Machbarkeitsstudie eines anderen Architekturbüros, das ebenfalls Entwicklungspotenzial im Pfleghof sah. Ende 2016 schien es dann im Gemeinderat zum Schwur zu kommen, doch in letzter Minute brachte die CDU damals einen Neubau zwischen Kies- und Küferstraße ins Gespräch. Doch dafür mochten sich die Verwaltung ebenso wie die Ratsmehrheit sowenig erwärmen wie für eine neue Bücherei auf dem alten ZOB-Gelände. Kurzzeitig bastelte die Stadt hinter den Kulissen am Konzept für einen Umzug der Bücherei ins Gemeindehaus am Blarerplatz, doch auch dieser Gedanke hielt einer näheren Prüfung nicht stand. Schließlich brachten die Grünen einen Neubau zwischen Küferstraße und Kupfergasse ins Gespräch, für den sich Mitte Juni im Gemeinderat schließlich eine Mehrheit fand.
Weil jedoch viele Esslingerinnen und Esslinger das Gefühl haben, dass ihre Meinung beim Neubau-Beschluss nicht ausreichend gewürdigt wurde und dass die Stadt beide Standorte mit etwas zu großer Vorliebe für den Neubau geprüft habe, formierte sich schon am Tag nach der Ratsentscheidung eine Initiative, die das Bürgerbegehren auf den Weg brachte und damit den Bürgerentscheid durchsetzte. Der sorgt seither für heiße Diskussionen in der Stadt. Nun entscheiden die Bürger am 10. Februar über die Zukunft ihrer Bücherei.