Wie gut passt ein Bewerber zum Unternehmen? Schlaue Software soll heutzutage schon bei einem Telefongespräch des Bewerbers mit einem Computer die psychologischen Merkmale des Kandidaten analysieren können. Foto: dpa - dpa

„Stehen Sie gern im Wettbewerb mit anderen? Wie verhalten Sie sich in einem Team?“ Solche Fragen können Bewerber in Persönlichkeitstests erwarten. Inzwischen spricht man dafür sogar manchmal mit Computern. Doch wie sind solche Tests einzuschätzen?

Bonn/BochumDie Bewerbung hat offenbar Interesse geweckt: Am Telefon ist der potenzielle neue Arbeitgeber und erkundigt sich zu Lebenslauf und Anschreiben. Das erhoffte Vorstellungsgespräch ist zum Greifen nah. Doch dann heißt es: „Wir würden mit Ihnen gern einen kleinen Test machen, bevor wir uns persönlich kennenlernen.“ Gemeint sind Verfahren, von denen sich Unternehmen erhoffen, mehr über den Kandidaten zu erfahren. Ziel dieser Tests ist, einschätzen zu können, wie der Bewerber tickt und ob er auf die Stelle passt.

„Sobald es um Führungsaufgaben, eine Team- oder Abteilungsleitung geht, werden solche Tests sehr breit verwendet“, sagt Wolfram C. Tröger, Vorsitzender des Fachverbandes Personalberatung in Bonn. „Je mehr Führungsverantwortung jemand erhalten soll, desto wahrscheinlicher ist es, dass man einen eignungsdiagnostischen Test macht“, ergänzt Thomas Belker, Vizepräsident des Bundesverbandes der Personalmanager.

Die Persönlichkeit des Bewerbers soll so besser beurteilt werden können. Mal müssen die Job-Anwärter mehr oder weniger umfangreiche Online-Fragebögen zu Verhaltensweisen und Gewohnheiten im Berufsleben beantworten, mal sich und der angestrebten Stelle per Mausklick bestimmte Eigenschaften zuordnen, mal ihre Zu- oder Abneigung zu geometrischen Formen übermitteln. Und neuerdings lassen manche Unternehmen sie auch mit einem Computer telefonieren, der kleinste Eigenheiten des Sprachverhaltens misst und mit abertausend Ergebnissen anderer Kandidaten abgleicht.

Merkmale ergeben digitale Muster

Der Computer fordert den Bewerber zum Beispiel auf, zu erzählen, was ihm im Berufsleben Spaß macht, oder über ein wichtiges Projekt zu sprechen. „Wichtig ist, dass der Kandidat 10 bis 15 Minuten frei redet“, sagt Belker. Er ist zugleich Personalvorstand der Talanx Service AG. Bei dem Versicherungskonzern kommt die Software, genannt Precire, bereits zum Einsatz. Sie untersucht das sich dann ergebende digitale Bild auf Muster, die psychologische Merkmale repräsentieren.

Besonders häufig im Einsatz bei der Personalauswahl war bislang allerdings der sogenannte Myers-Briggs-Typen-Indikator (MBTI), wie eine Studie der Ruhr-Universität Bochum ergab. Der MBTI geht auf den Psychiater Carl Gustav Jung zurück und teilt Menschen in 16 verschiedene Persönlichkeitstypen ein. Diese beruhen auf unterschiedlichen Ausprägungen der vier Kategorien Sensitivität, Intuition, Fühlen und Denken. 43 Prozent der Unternehmen nutzten der Umfrage zufolge den MBTI.

Dicht dahinter (40 Prozent) kommt das in den späten 20er Jahren entwickelte DISG-Modell, das vier Persönlichkeitstypen benennt, denen jeweils eine bestimmte Farbe zugeordnet ist. Rot beispielsweise steht für den dominanten Typ.

„Abenteuerliche“ Kategorisierungen

Über beide Methoden fällt der Wirtschaftspsychologe Rüdiger Hossiep jedoch ein vernichtendes Urteil: „Solche Kategorisierungen halte ich durchaus für abenteuerlich“, sagt der Leiter des Projektteams Testentwicklung an der Uni Bochum. „Das sind keine psychometrischen, wissenschaftsbasierten Verfahren.“ Auch die erwähnte Sprachsoftware sei ein „völliges Unding“. Ein ordentliches Testverfahren müsse der wissenschaftlichen Gemeinschaft zur Verfügung gestellt werden. Das bedeutet: Die theoretischen Grundlagen, die Anwendungsbeschreibung und Kennwerte sind publiziert und damit öffentlich zugänglich, transparent und genau nachvollziehbar.

Das gilt zum Beispiel für den Test, den Hossiep und Kollegen entwickelt haben: das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP). Es enthält 210 Aussagen zu persönlichen Verhaltensweisen und Gewohnheiten. Alle beziehen sich auf das Berufsleben und sind anhand einer sechsfach abgestuften Skala möglichst spontan zu bewerten.

„Es gibt in Deutschland einen Markt mit 250 persönlichkeitsorientieren Verfahren“, erläutert Hossiep. „70 bis 80 Prozent davon genügen wissenschaftlichen Anforderungen nicht, sie sind ungeeignet für ihren Zweck und nicht belastbar.“ Doch das kann wohl kaum ein Bewerber einschätzen, wenn ihm ein Test bevorsteht. Wie also damit umgehen? „Seien Sie ganz Sie selbst“, rät Hossiep. Und Personalberater Tröger sagt: „Ich würde jedem empfehlen, sich normal hineinzubegeben.“ Es gehe nicht ums Bestehen, sondern um das Erkennen von Kompetenzen und Fähigkeiten für den Job.

Für Hossiep verrät der Test auch den Kandidaten etwas: „Ich kann mir ein Bild machen davon, wie qualifiziert das Unternehmen damit umgeht.“ Bewerber sollten sich fragen: Was will das Unternehmen von mir? Will ich da arbeiten? Und sich dann im Test „einen Tacken besser darstellen“. „Das würden Sie auch in einem Gespräch machen, bei der Zusammenstellung der Unterlagen und beim Motivationsschreiben“, sagt er. Immerhin: Keiner der drei Fachleute gesteht den Tests zu, alleiniges Kriterium bei der Entscheidung für oder gegen einen Bewerber zu sein.