Manche finden ihn zum Anbeißen smart: Rishi Sunak, Millionär und britischer Schatzkanzler. Foto: AFP/PHIL NOBLE

Der britische Schatzkanzler Rishi Sunak ist der neue Star der Tories. Der ehemalige Investment-Banker lässt in der Coronakrise staatliche Milliarden regnen, um der Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen. Der Anhänger von Boris Johnson könnte dereinst Nachfolger des Premierministers werden.

London - Vor kurzem noch war Rishi Sunak ein Unterstaatssekretär im Ministerium für Kommunales. Als Boris Johnson den Ex-Investment-Banker im Februar an die Spitze der britischen Schatzkanzlei berief, war der Name des neuen Finanzministers jenseits von Westminster kaum jemandem vertraut. Mittlerweile ist Sunak jedem ein Begriff. Er ist der Mann, der es Geld regnen ließ in der Coronavirus-Krise. Der Millionen Jobs und zahllose Betriebe zu retten sich mühte, als das Leben erstarb auf den Straßen der Nation. Und der noch heute mit allerlei populären Ideen aufwartet – wie mit der Nachricht, dass im August jedermann in England bis zu 10 Pfund Nachlass erhält bei jedem Besuch einer Gaststätte montags bis mittwochs. Die Mehrwertsteuer für die Gastronomie hat Sunak eh von 20 auf 5 Prozent gesenkt.

Mit größtem Selbstvertrauen und einem geradezu goldenen Lächeln hat er sich den Fotografen diese Woche in einer Londoner Wagamama-Filiale als Ober präsentiert, bloß mit seinem Vornamen auf dem Namensschild. Von „Dishy Rishi“, dem Rishi zum Anbeißen, schwärmt die Tory-treue Presse nun schon.„Eat out to help out“ (Geht essen, um auszuhelfen) ist die offizielle ministerielle Parole. Sunaks Beliebtheit schlägt mit 41 Punkten die aller anderen Politiker im Land. Premier Johnson selbst ist in den letzten Wochen auf gerade mal zwei Punkte abgekippt.

Er glänzt in der Krise

Tatsächlich wird der Schatzkanzler, der erst vor fünf Jahren ins Parlament einzog, im konservativen Lager bereits als Favorit für die Nachfolge Johnsons gehandelt. Der 40-jährige Sunak ist zur Zeit unbestrittener Star seiner Partei. Während andere Minister wenig von sich überzeugt haben in der Krise, hat die Corona-Katastrophe Sunak Gelegenheit gegeben zu glänzen. Nicht nur, weil er in ganz Tory-untypischer Weise den Geldhahn aufdrehte, sondern auch, weil er es äußerst gelassen, fast schon kühn und immer Vertrauen ausstrahlend tat.

Inzwischen scheut sich Sunak nicht einmal mehr, davon zu sprechen, dass Politiker „selten die Augenblicke wählen können, die ihnen ihre besondere Bedeutung zuweisen“. Der Mann mit dem kometenhaften Aufstieg habe „eine gute Krise“ gehabt, räumen auch seine Kritiker ein. Ob Johnson froh ist über die Zustimmung, die seinem Schatzkanzler zuteil wird, oder ob er den Applaus für Sunak eher argwöhnisch beobachtet, weiß niemand zu sagen. Immerhin war es Boris Johnson, der mit Sunak einen absoluten Loyalisten belohnte und nachzog ins Kabinett. Denn Rishi Sunak entsprach in vielem den Vorstellungen Johnsons. Er hatte sich schon beim Brexit-Referendum von 2016 nachdrücklich für den Abgang aus der EU eingesetzt und auch einen harten Brexit nicht abgelehnt. Im letzten Sommer unterstützte er „Boris“ bei der Wahl zum neuen Parteivorsitzenden. Und finanzpolitisch zeigte er sich, wie Johnson selbst, pragmatisch. Austerität musste nicht (mehr) sein.

Es gibt aber auch Zweifler

Als im Februar dann sein Vorgänger als Schatzkanzler, Sajid Javid, sich gegen mehr Staatsausgaben und vor allem gegen mehr Kontrolle durch die Regierungszentrale sträubte und schließlich im Protest aus der Regierung ausschied, stand Sunak als gehorsamer Erfüllungsgehilfe und Ersatzmann bereit. Als Finanzchef qualifizierte er sich in Johnsons Urteil wohl auch durch seine steile Karriere als Investment-Banker und Hedgefonds-Mitbegründer. Der Sohn eines Arztes und einer Apothekerin, beide indischen Ursprungs und Hindus, gilt heute als das reichste Kabinettsmitglied überhaupt. Verheiratet mit der Tochter eines indischen Milliardärs, ist Sunak seit langem bekannt als leidenschaftlicher Streiter für „freie Märkte“. Umso kurioser kam vielen seiner Zeitgenossen das Ausmaß staatlicher Intervention vor, mit der der frisch ernannte Schatzkanzler zu Beginn des Lockdown den katastrophalen Folgen der Krise zu wehren suchte.

Seine politischen Gegner glauben freilich, dass Sunak den Höhepunkt seiner Popularität in diesem Sommer bereits erreicht und vielleicht sogar überschritten haben könnte. Dass seine zuletzt angekündigten Maßnahmen die bald schon drohende Massenarbeitslosigkeit im Lande stoppen könnten, bezweifeln Gewerkschaften und Unternehmerverbände gleichermaßen. Und Steuererhöhungen schließt in der Schatzkanzlei niemand aus. Am Ende, murrt der linksliberale Londoner Guardian, habe Sunak seinen Mitbürgern angesichts eines aufkommenden Wirbelsturms „Cocktail-Schirmchen“ überreicht, die keinen wirklichen Schutz bieten könnten. Statt die britische Wirtschaft post-Covid von Grund auf zu reformieren, wolle der Ex-Banker nur „so schnell wie möglich zum Business as Usual zurück“.

Wo nimmt er das Geld her?

Auch Rishi Sunak ist sich natürlich bewusst, dass der für ihn harte Teil erst noch kommt, wenn er damit beginnen muss, die unter größtem Druck ausgegebenen Milliardensummen wieder irgendwie einzutreiben – während die Arbeitslosenzahlen steigen. Eine strahlendes Lächeln allein tut’s dann nicht mehr. Fürs erste aber genießt der Schatzkanzler seine Favoriten-Rolle. Kein Wunder: Die meisten seiner Parteikollegen in Westminster sind sich darin einig, dass zur Zeit keiner seiner Rivalinnen und Rivalen sich mit „Dishy Rishi“ messen kann.