Steffen Siegel (links) und Michael Gehrung machen sich Sorgen um die guten Filderböden – wieder einmal. Foto: Caroline Holowiecki

Am 10. Juli soll eine Demo in Plieningen auf drohende Ackerflächenverluste aufmerksam machen. Wo könnten mehrere Hektar zumindest vorübergehend verloren gehen? Und wer will das verhindern?

Am Horizont wird’s düster. Mehr und mehr verdunkeln Wolken den Himmel. Steffen Siegel und Michael Gehrung schauen mit kritischem Blick über die Felder am Ortsrand von Plieningen hinweg in Richtung Messe. Kritisch nicht deshalb, weil es offensichtlich bald regnen wird. Sondern weil aus ihrer Sicht ganz anderes Ungemach heraufzieht. Siegel, der Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Filder, und Gehrung, der landwirtschaftliche Obmann im Stadtbezirk, sind besorgt. Besorgt, dass ein geplantes Bauprojekt kostbaren Filderboden zunichtemachen könnte. Wieder einmal.

Konkret geht es um den 11,5 Kilometer langen Pfaffensteigtunnel, über den schon seit einer Weile diskutiert wird. Durch ihn könnten Züge von der bestehenden Gäubahnstrecke unterirdisch zur geplante Fernbahnstation am Flughafen fahren. Während der Tunnel-Bauzeit wäre der Einstieg in Plieningen, in der Nähe des Langwieser Sees, von dort aus würden sich Bohrmaschinen vorarbeiten. Und wo der Einstieg wäre, da müsste man freilich Platz schaffen für eine Baustelleneinrichtung, zum Rangieren von Fahrzeugen und zum Lagern von Material. Alles auf jetzigen Feldern.

Sie verlieren seit Jahrzehnten fruchtbare Böden

Flughafen, Messe, Stuttgart 21 – die Filderbauern verlieren seit Jahrzehnten fruchtbare Ackerböden. Michael Gehrung sagt, dass ihn allein die Schnelltrasse Richtung Ulm fünf Hektar gekostet habe – ein Viertel seiner Flächen. Kollegen hätten ebenfalls Federn gelassen. „Und das sind nur die Großprojekte“, sagt er. Auch durch den Wohnungsbau sei in der Vergangenheit immer wieder Fläche abgeknapst worden. „In der Summe ist das riesig“, stellt Steffen Siegel klar, durch den möglichen Pfaffensteigtunnel wären es neue Verluste.

Laut Michael Gehrung gibt es in Plieningen zehn Betriebe, die teils kleinstrukturierte Flächen bewirtschaften. „Da ist fast jeder betroffen“, sagt er. Eigentümer und Bauern mit langfristigen Pachtverträgen würden entschädigt, Bauern mit kurzfristigen Verträgen guckten indes in die Röhre, „die können dir morgen kündigen“, sagt er.

Mehreren Kundgebungen im fraglichen Gebiet

Die Bodenschützer wollen den „Landraub“, wie sie es nennen, verhindern – und machen mobil. Sie haben eine Demo organisiert. Am 10. Juli soll sie stattfinden, mit mehreren Kundgebungen im fraglichen Gebiet. Michael Gehrung geht davon aus, dass Kollegen mit etwa 50 Schleppern vertreten sein werden, alles in allem rechnet Steffen Siegel mit einigen Hundert Teilnehmern, etwa aus den Reihen des Aktionsbündnisses gegen S21, aus dem Bauernverband, aus Plieninger Vereinen, aus der Bürgerschaft.

Ihnen soll die schiere Größe jenes Areals verdeutlicht werden, das für die Baustelleneinrichtung genutzt werden könnte, indem Bauern ihre großen Arbeitsmaschinen ringsherum aufstellen. Die Demo-Organisatoren sagen, die Bahn hätte ihnen gegenüber von acht Hektar gesprochen, Michael Gehrung geht indes von deutlich mehr aus. „Meine Schätzung sind 20 Hektar. Selbst wenn es nur 15 sind, sind es 15 zu viel“, sagt er.

Darum geht es den Protestierenden

Was die Alternative wäre? Statt des „katastrophalen Projekts“, wie Steffen Siegel den Pfaffensteigtunnel nennt, solle man die Fernzüge über die bestehende Panoramastrecke leiten, und wer zum Flughafen wolle, könne zuvor am Bahnhof Vaihingen aussteigen und die S-Bahn nehmen. „Das ist gesunder Menschenverstand“, sagt er. Er schaut wieder in Richtung der Felder, dorthin, wo sich der Himmel verdunkelt. „Die machen hier Felder kaputt für alle Ewigkeit.“ Gerade der Krieg in der Ukraine und die dadurch ausgelösten Versorgungsprobleme zeigten, „dass wir jeden Quadratmeter bewahren müssen“, wettert Steffen Siegel.

Der Landwirt Michael Gehrung ist derselben Meinung. Zwar habe man ihm gesagt, die Baustelle werde irgendwann weichen und die Böden würden dem Ackerbau dann wieder zugeführt, aber „die sind dann nur bedingt brauchbar“, etwa durch zurückgelassene Steine oder die Verdichtung des Untergrunds. Und überhaupt: „Bis ich meine Flächen zurückkriege, bin ich in Rente.“

Die geplante Demo am 10. Juli 2022

Termine
Die Demoteilnehmer sammeln sich am Sonntag, 10. Juli, ab 11 Uhr am Langwieser See. Erreichbar ist der über einen Feldweg, der an Michael Gehrungs Hof an der Echterdinger Straße 36 in Plieningen startet. Um 11.30 Uhr und um 12.30 Uhr sind Kundgebungen geplant, um 13 Uhr geht es gemeinsam zurück Richtung Plieningen.

Anreise
Die Organisatoren weisen darauf hin, dass es am Aktionsgelände keine Parkmöglichkeiten gibt. Man solle am besten zu Fuß, mit dem Rad oder der S-Bahn zur Messe kommen