Ein Bauarbeiter steht mit einem Gasbrenner beim Bau eines Mehrfamilienhauses, als am Horizont die Sonne aufgeht. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Der Bauboom in Deutschland hat viele Vorteile, aber auch Nachteile: Nachbarn müssen sich mitunter auf viele Monate mit Dreck und Krach einstellen. Wann dürfen Bauarbeiten morgens anfangen?

Lärm nervt, zu viel Lärm macht krank. Wenn Gärtner und Party-Feiernde schon längst leiser sein müssen, dürfen Bauarbeiter weiter auf Hochtouren werkeln. Doch was ist erlaubt und was verboten?

Gesetzliche Ruhezeiten

Die gesetzlichen Ruhezeiten richten sich nach den jeweiligen Landesimmissionsschutzgesetzen und kommunalen Lärmschutzverordnungen. In der Regel gilt in Deutschland eine Mittagsruhe von 13 bis 15 Uhr und eine Nachtruhe von 22 bis 7 Uhr sowie eine ganztägige Sonn- und Feiertagsruhe. In reinen Wohngebieten gilt für Freizeitlärm nachts ein Grenzwert von 35 Dezibel (dB).

Baustellenlärm: Arbeits- und Ruhezeiten

Bei Baustellenlärm ist die Sachlage indes eine ganz andere. Denn Baulärm ist unvermeidbar. Generell haben Bürger Baustellenlärm zu dulden. Der Gesetzgeber gibt Bauherren und Baufirmen allerdings Lärmschutzregeln vor.

Handwerker dürfen in der Regel schon früh mit ihren lauten Arbeiten beginnen. „Maßgeblich sind die üblichen Ruhezeiten“, erklärt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund in Berlin. Danach gilt in den meisten Bundesländern generell die Ruhezeit zwischen 22 und 6 Uhr, wobei in der Baunutzungsverordnung zwischen Wohn-, Gewerbe- und Mischgebieten unterschieden wird.

Lärm durch laute Musik, Feierlichkeiten, Hundebellen, Bohren, Maschinenbetrieb und so weiter sind während dieses Zeitraums zu unterlassen. Das gilt auch für den Samstag, der wie ein Werktag behandelt wird. Auch an diesem Tag muss um 22 Uhr Ruhe herrschen.

In reinen Wohngebieten müssen Anwohner damit leben, dass auf einer Baustelle von 7 Uhr morgens bis 20 Uhr abends gebaut wird. Eine Mittagsruhe gibt es nicht. Tagsüber darf laut Allgemeiner Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm (AVV Baulärm) von der Baustelle ein Dauerschallpegel von maximal 55 Dezibel ausgehen – plus fünf Dezibel Toleranz.

Maximal zulässige Lärmwerte

Beschweren sich Nachbarn, schickt die Bauaufsichtsbehörde zunächst Kontrolleure los, um den Krach auf ein Mindestmaß zu beschränken und die Abläufe auf der Baustelle entsprechend zu planen. Bei Verstößen machen die Behörden Auflagen.

1970 hat der Gesetzgeber die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm erlassen. Sie schreibt maximal zulässige Lärmwerte vor – sogenannte Immissionsrichtwerte. Je nach der Tageszeit oder nach Gewerbe- und Industriegebieten sowie Wohn- oder Mischgebieten gelten unterschiedliche Grenzwerte.

Außerdem sind die Verantwortlichen – Bauherren, Bauunternehmer und Bauleiter – gesetzlich verpflichtet, möglichst lärmarme Baumaschinen und Geräte zu nutzen. Deren Einsatz muss effizient geplant, Krach muss bestmöglich abgeschirmt und notfalls müssen mobile Schallschutzwände aufgestellt werden.

Zwangsmaßnahmen zur Verringerung von Baulärm

Die Zwangsmaßnahmen zur Reduzierung der Geräuschkulisse umfassen Bußgeldbescheide, in besonders schweren Fällen auch Strafanzeigen wegen Körperverletzung sowie einen erzwungenen Baustopp.

Laut baden-württembergischem Verkehrsministerium prüft die zuständige Immissionsschutzbehörde bei Beschwerden, ob die „Eingreif-Richtwerte“ der AVV Baulärm überschritten werden. Ist dies der Fall, könnten Maßnahmen zur Begrenzung des Baulärms angeordnet werden.

„Wird dieser Anordnung durch den Bauherrn wiederholt und hartnäckig nicht nachgekommen, kann in einem solchen Fall der Betrieb der Baustelle vorläufig untersagt werden“, heißt es auf der Webseite des Ministeriums.

Gewebe- Wohn- oder Mischgebiet

Die Richtwerte gegen Baulärm hängen von der Art der Bebauung ab. In reinen Industrie- und Gewerbegebieten liegt der Dauerpegel, der von Baustellen ausgeht, tagsüber bei maximal 65 Dezibel plus fünf Dezibel.

In reinen Wohngebieten gilt die „32. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes“. Anwohner müssen tolerieren, dass auf einer Baustelle von 7 Uhr bis 20 Uhr gebaut wird. Eine Mittagsruhe gibt es nicht. Der Dauerschallpegel darf tagsüber einen Wert von maximal 55 Dezibel nicht überschreiten – das gilt auch samstags. Allerdings gibt es eine Toleranz von weiteren fünf Dezibel.

Baulärm während der Nacht

Nachtarbeiten sind auch in Wohngebieten generell zulässig. Allerdings muss die Lärmbelastung bei einer Nachtbaustelle geringer sein als am Tage (maximal 40 Dezibel plus fünf Dezibel Toleranz).

Mietminderung wegen Baulärms

Ob Mieter wegen Baulärms Mietminderung durchsetzen können, hängt vom Einzelfall ab. Mitentscheidend ist, ob Bauarbeiten in ihrer Gegend erwartbar sind. Wenn ja, entfällt der Anspruch. Zum Beispiel wird Mietern in der Stadt ein höheres Lärmniveau zugemutet als solchen, die auf dem Land leben.

Die Gerichte urteilen bei Baulärm und Mietminderung sehr unterschiedlich. Der Bundesgerichtshof (BGH) als höchstrichterliche Instanz hat in einer Entscheidung Mietern ein Recht auf Lärm-Mietminderung abgesprochen (Urteil vom 29. April 2020, Az.: VIII ZR 31/18).