Die bisherigen Doppelstock-IC, die auf der Strecke zwischen Stuttgart, dem Bodensee und der Schweiz immer wieder Ärger machten, werden durch Gebrauchtfahrzeuge aus Österreich ersetzt.
Die Gäubahn, die Bahnstrecke von Stuttgart Richtung Bodensee, Schwarzwald und Schweiz, ist längst zum Politikum geworden. Zum einen sorgt die im Großraum Stuttgart vorgesehene Führung in einem langen Tunnel zum Flughafen für Diskussionen, weil die Züge während der Bauphase im Stuttgarter Stadtteil Vaihingen enden werden. Zum anderen kommt der seit Jahren diskutierte Ausbau der bisher über weite Strecken eingleisigen Trasse nur in Trippelschritten voran. Zuletzt haben sich dann auch noch technische Probleme mit den auf der Strecke eingesetzten Doppelstock-IC eingestellt. Zugausfälle oder gestrandete Passagiere waren die Folge.
Künftig wieder Direktfahrten nach Zürich
Zumindest bei letzterem verbreitet die Bahn nun Zuversicht. Nach und nach werden die pannenanfälligen Züge des Herstellers Bombardier, die zudem aus technischen Gründen nicht in die Schweiz fahren konnten, durch andere Züge ersetzt.
Kamen die von einer Lok gezogenen Doppelstockzüge vom Hersteller Bombardier, sind die nun eingesetzten Züge, die ohne Lok auskommen, vom Schweizer Hersteller Stadler. Sie waren die vergangenen rund zehn Jahre für das österreichische Privatbahnunternehmen Westbahn unterwegs und wurden gebraucht von der Deutschen Bahn gekauft. Die DB erwarb insgesamt 17 Züge, acht davon sollen zwischen Stuttgart und Zürich zum Einsatz kommen, die übrigen sind in ostdeutschen Bundesländern auf Achse.
Ehe am Montag erstmals Fahrgäste zwischen Stuttgart und Zürich auf der Intercity-Linie 87 mit den neuen Zügen unterwegs sein werden, liegt es an Adil Armagan, der die Qualifizierung der Lokführer des Fernverkehrs im Südwesten leitet, dass das Fahrpersonal mit dem neuen Zug umgehen kann. „Schulungsbedarf gibt es bei jeder neuen Baureihe“, sagt Armagan am Mittwoch bei einem Rundgang durch die neuen Züge. 105 Lokführer an den Standorten Stuttgart, Singen und München müssen mit dem neuen Fahrzeug vertraut gemacht werden.
40 zusätzliche Sitzplätze
Auch für die Fahrgäste ergeben sich Neuerungen – abgesehen von der erhofften höheren Zuverlässigkeit, die sich erst noch erweisen muss. Die Züge bieten 40 Sitzplätze mehr als ihre Vorgängermodelle. Alle Plätze sind mit Steckdosen versehen. Auch an Fahrradabstellplätze ist gedacht worden. Ein Speisewagen sucht man hingegen vergeblich. Allerdings gibt es an vier Stellen im Zug Automaten, an denen kleine Snacks und Getränke gekauft werden können. Um das für viele Bahnfahrer leidige Thema Netzabdeckung besser in den Griff zu bekommen, sind „mobilfunkdurchlässige Scheiben“ eingesetzt worden, wie es Armagan nennt.
In drei Phasen sollen die neuen Fahrzeuge in Betrieb gehen. Von Montag an werden täglich zwei Hin- und Rückfahrten nach Zürich von ihnen bestritten. „Dabei wollen wir die Züge im realen Betrieb auf Herz und Nieren testen“, sagt Armagan. Die Frequenz soll zum Fahrplanwechsel Mitte Dezember erhöht werden. Von Juni bis Oktober nächsten Jahres ist die Strecke dann allerdings wegen Bauarbeiten gesperrt. Erst danach soll die aus dann acht Zügen bestehende Flotte den Gäubahnfernverkehr komplett übernehmen, die fehleranfälligen bisherigen IC-Züge sowie die Züge mit Wagen der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) der Vergangenheit angehören.
Minister fordert zuverlässiges Angebot
Schon im Herbst 2021, als der erste für den Betrieb auf der Gäubahn vorgesehene neue Zug getauft wurde, ging das bei Bahnexperten mit der Hoffnung einher, der Betrieb auf der internationalen Strecke in die Schweiz könne damit stabiler werden als zuletzt. Matthias Lieb, Landesvorsitzender des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) sagte damals: „Die Kiss-Züge werden auf der Strecke Stuttgart - Zürich sehnlichst erwartet als Ablösung für die bisher eingesetzten unzuverlässigen IC2-Züge.“ Kiss ist der Name, unter dem der Hersteller Stadler die Züge vermarktet. Auch Landesverkehrsminister Winfried Hermann unterstricht bei der symbolischen Taufe, er erwarte die „Zuverlässigkeit des Angebots, eine moderne Ausstattung der Züge und die stündliche Verbindung zwischen beiden Metropolen.“ Die Ankündigung des Einsatzes dieser Züge auf der Gäubahn sehe der VCD als klares Bekenntnis der DB für eine Verbesserung der Verbindungen von Stuttgart in die Schweiz. Zuvor musste die Bahn immer wieder die bisherigen Züge aus dem Verkehr ziehen, weil sie für Aktualisierungen der Technik zum Hersteller zurück mussten. Der VCD verknüpft seine Vorfreude auf die neuen Züge aber mit der wiederholt aufgestellten Forderung, die Unterbrechung der Gäubahn ab Sommer 2025 bis zur Fertigstellung des neuen Tunnels zum Flughafen zu vermeiden.
Lokführer sind zufrieden
Unabhängig davon, wie diese Debatte ausgeht, steht für Lokführer-Ausbilder Armagan jetzt schon fest, dass die neuen Züge nicht nur für die Fahrgäste, sondern auch für seine Kolleginnen und Kollegen ein Fortschritt sein werden. „Ich bin angetan von dem Fahrzeug. Im Führerstand ist alles sehr logisch und schlüssig angeordnet“, sagt Armagan. „Das ist ein schöner Zug“. Bleibt abzuwarten, ob die Fahrgäste damit pünktlich ankommen und dann zu einer ähnlichen Einschätzung kommen.