Ein Zug fährt im Stuttgarter Nordbahnhofviertel über das Gäubahnviadukt. Foto: Milankovic

Pro Bahn, der Landesnaturschutzverband und der Verkehrsclub Deutschland fordern eine unabhängige Prüfung der Bahn-Aussagen zur Unterbrechung der Gäubahnstrecke in Stuttgart.

Auch nach dem sogenannten Faktencheck zur Gäubahn, der Bahnstrecke von Stuttgart in den Schwarzwald, an den westlichen Bodensee und in die Schweiz bleiben Fragen offen. Die Vereinigungen Pro Bahn, Landesnaturschutzverband (LNV) und Verkehrsclub Deutschland (VCD) gehen hart mit der bei der Veranstaltung von der Deutsche Bahn (DB) vorgetragenen Argumentation ins Gericht. Gar von einer Märchenstunde ist da nun die Rede.

Lang anhaltende Diskussion

In der anhaltenden Diskussion geht es um die Frage, ob die Gäubahn auf Stuttgarter Markung aus baulichen Gründen ein halbes Jahr vor Inbetriebnahme unterbrochen werden kann, obwohl eine alternative Führung der Züge zum Hauptbahnhof wohl bis in die 2030er-Jahre auf sich warten lassen wird. Konsequenz: die Fahrgäste auf dem Weg nach Stuttgart müssten entweder im Stadtbezirk Vaihingen oder an einem noch zu bauenden weiteren Bahnsteig am Nordbahnhof auf andere Verkehrsmittel umsteigen.

Ein Faktencheck Ende November hätte Klarheit bringen sollen. „Die Präsentation der Bahn war eher problem- als lösungsorientiert“, moniert der VCD-Landesvorsitzende Matthias Lieb. Die sogenannte Beibehaltungsvariante, also der vorübergehende Erhalt einiger oberirdischen Gleise zum Kopfbahnhof, sei „wegmoderiert“ worden, so Lieb. Die Bahn hatte unter anderem ins Feld geführt, für eine solche Lösung eine neue Oberleitungsanlage bauen, neue Sicherungstechnik montieren und eine Lösung für die betagten Bahnsteigdächer finden zu müssen.

Zweifel an Aussagen zu den Brücken der Strecke

Besonders kritisch sehen die Verbandsvertreter Aussagen der Bahn, wonach die großen Brückenbauwerke, auf denen die Gäubahn andere Bahnanlagen und das Nordbahnhofviertel queren, am Ende ihrer Nutzungsdauer angekommen seien. In einer öffentlich zugänglichen Datenbank der Bahn seien diese Bauwerke aber in einer Kategorie gelistet, zu der es heißt: „Erneuerungsmaßnahmen sind zu prüfen“. „In Baden-Württemberg sind 31 Prozent der Bahnbrücken in dieser Kategorie, ohne dass man gleich den Betrieb darauf stilllegt“, sagt Wolfgang Staiger, der stellvertretende Vorsitzender des Regionalverbandes von Pro Bahn.

Auch die Sichtweise der Stadt, die auf den Gleisflächen möglichst schnell neue Wohnungen bauen möchte und daher einen Weiterbetrieb der Gäubahn ablehnt, wollen die Verbände nicht gelten lassen. „Wir nehmen das Anliegen der Stadt ernst. Aber man kann die Strecke auch nicht einseitig den baurechtlichen Belangen unterordnen“, sagt Stefan Frey aus dem Vorstand des Landesnaturschutzverbands (LNV) Baden-Württemberg. „Wir blockieren nicht, aber Bahn und Stadt sind weder gesprächs- noch kompromissbereit“. Der LNV hat beim Eisenbahn-Bundesamt (Eba) einen Antrag gestellt, die Behörde solle der Bahn die Einstellung des Betriebs auf dem fraglichen Gäubahnabschnitt untersagen. „Das Verfahren dauert noch an“, erklärt Frey.

Unabhängige Prüfung gefordert

Matthias Lieb vom VCD fordert, dass die Sichtweise der Bahn und die von den Verbänden zusammengetragenen Argumente von unabhängiger Seite geprüft werden. Außerdem suche man das Gespräch mit dem Interessenverband Gäu-Neckar-Bodensee-Bahn, in dem die Gemeinde und Kreise längs der Strecke zusammengeschlossen sind. Lieb macht klar, dass die Zeit drängt. „Bis Sommer 2023 muss die Zukunft der Strecke geklärt sein“.

Auch im politischen Raum geht die Diskussion weiter. Die Grünen in der Versammlung des Regionalverbands Stuttgart fordern, die Gäubahn bis 2028 in einen Rest des Kopfbahnhofs oberirdisch fahren zu lassen. Danach solle eine Regio-S-Bahn bis Singen die umsteigefreie Verbindung von der Landeshauptstadt zu Zielen an der Gäubahnstrecke sicherstellen. Die SPD in der Region hat in einem Dringlichkeitsantrag gefordert, das Thema im Verkehrsausschuss der Region nochmals aufzurufen.