Wie wird der Ersatzverkehr ausgestaltet, wenn die Bahn die Strecke zwischen Cannstatt und Waiblingen sperrt? Foto: Gottfried Stoppel

Nach der kurzfristigen Ankündigung der Deutschen Bahn, die Strecke Waiblingen–Bad-Cannstatt wegen Bauarbeiten sperren zu wollen, fordern die Oberbürgermeister jetzt wenigstens eine Beteiligung am Aufbau eines Ersatzverkehrs.

In die Diskussion um bevorstehende Sperrungen von Zugstrecken in der Region haben sich jetzt auch der Landrat und die Oberbürgermeister aus dem Rems-Murr-Kreis zu Wort gemeldet. Man sei „äußerst irritiert“ von der kurzfristigen Mitteilung dass es bereits von 21. April an zu massiven Beeinträchtigungen im Zugverkehr kommen werde, schreiben die Rathauschefs in einem Brief an den Stuttgart-21-Projektverantwortlichen Olaf Drescher.

Berufspendler und Schüler betroffen

Der wohl zuerst betroffene Abschnitt zwischen Bad Cannstatt und Waiblingen tangiere eine Strecke, auf die zahlreiche Berufspendler aus dem Rems-Murr-Kreis angewiesen seien, um zur Arbeit nach Stuttgart zu gelangen. Auch Schüler, die eine Schule in der Landeshauptstadt besuchten, seien betroffen. Als besonders heikel sehe man deshalb auch den Startzeitpunkt der angekündigten Sperrungen insbesondere für Abiturienten an. Denn vom 19. April an fänden in Baden-Württemberg die schriftlichen Abiturprüfungen sowie im Anschluss weitere Abschlussprüfungen statt.

Bemängelt wird nicht nur die Kurzfristigkeit der Mitteilung der Deutschen Bahn, sondern auch, dass dabei keine weiteren Details kommuniziert worden seien – und erst recht keine entsprechenden Alternativen. Klar sei derzeit nur, dass es durch die angekündigten Sperrungen zu mehr Verkehr auf den Straßen und damit auch zu mehr Staus kommen werde – „eine sehr unzufriedenstellende Situation für unsere Bürgerinnen und Bürger sowie unsere Unternehmen und Institutionen“, so die Oberbürgermeister.

Mit ihrem Schreiben fordern sie nun „eindringlich eine zeitnahe und direkte Kommunikation, damit wir das Ausmaß der Einschränkungen und die Konsequenzen abklären können“. Denn die Kommunen sollten in Gesprächen daran beteiligt werden, wie ein Ersatzsystem aufgebaut und bestmöglich abgestimmt werden könne, um Staus zu vermeiden und Pendler rechtzeitig zu ihren Zielorten zu bringen, so die Rathauschefs.

Landrat: Fass längst übergelaufen

Auch Landrat Richard Sigel appelliert an die Bahnverantwortlichen: Für die monatelange Sperrung zwischen Bad Cannstatt und Waiblingen von Ende April bis Ende Juli brauche es dringend ein Alternativkonzept mit funktionierenden Ersatzverkehren, so der Kreisverwaltungschef. In Sachen Pendlerfrust sei nämlich „das Fass bei den Bürgerinnen und Bürgern längst übergelaufen. Das zeigen die zahlreichen Rückmeldungen aus der Bürgerschaft, die im Landratsamt eingehen“, so Sigel.

Die CDU-Landtagsabgeordneten Siegfried Lorek und Christian Gehring, die ihrem Unmut bereits direkt nach der am Freitag herausgegebenen Pressemitteilung der Bahn Luft gemacht hatten, schieben jetzt noch einmal nach: „Für Berufspendlerinnen und -pendler, Schülerinnen und Schüler und alle, die gerne den ÖPNV nutzen, wird das massive und schwer handelbare Auswirkungen auf den Alltag haben“, so die Einschätzung der Parlamentarier. Dass sich die Bahn hierzu keinerlei Gedanken über diese Auswirkungen auf die Menschen gemacht habe, „können und wollen wir so nicht akzeptieren. Der Umgang mit den Menschen ist schlicht eine Frechheit“, so Lorek und Gehring. Weil das Kind bereits in den Brunnen gefallen sei, gelte es nun, wenigstens geeignete Ersatzlösungen zu finden.

Lorek: Entschädigungen für Fahrgäste

In einem nächsten Schritt stelle sich dann aus ihrer Sicht allerdings noch eine andere Frage: nämlich die einer Entschädigung für die Fahrgäste. Zumindest hier aber sei man „guter Dinge, dass die Bahn sich beweglich zeigt“, so der Staatssekretär Lorek.

Viele Voll- und Teilsperrungen

Anlass
 Der digitale Ausbau des Bahnknotens Stuttgart mache umfangreiche Tiefbauarbeiten notwendig, die nicht bei rollendem Verkehr erledigt werden könnten. Allein im Bereich Waiblingen/Bad Cannstatt müssten rund 1200 Kilometer Kabel verlegt werden. Das hat die Deutsche Bahn am vergangenen Freitag mitgeteilt.

Auswirkungen
 Zusätzlich zur bekannten Sperrung der S-Bahn-Stammstrecke seien während der Sommerferien mehrwöchige vor- und nachgelagerte Teil- und Vollsperrungen unvermeidbar: 14 Wochen in unterschiedlichen Phasen zwischen dem 21. April und 29. Juli im Bereich Bad Cannstatt/Waiblingen sowie in unterschiedlichen Phasen auf den Strecken Rohr–Flughafen-Filderstadt sowie Stuttgart-Vaihingen–Böblingen zwischen November und Dezember.