Auf dem Weg nach Tübingen macht der Regionalzug MEX 18 auch am Bahnhof in Esslingen Halt. Foto: Ines Rudel

Der Streckenabschnitt zwischen Stuttgart und Tübingen hat Probleme bei den Bahnübergängen und bei den Leitungsanlagen. Das wirkt sich auf die Pünktlichkeit im Kreis Esslingen aus. Sanierungsarbeiten sind dringend notwendig, der Zeitplan ist allerdings noch unklar.

Wer im Raum Stuttgart häufig mit der Bahn unterwegs ist, dürfte Verspätungen und Fahrplanänderungen gewohnt sein. Die Strecke in Richtung Tübingen, die durch den Kreis Esslingen führt, stellt hier keine Ausnahme dar. Im laufenden Jahr gab es auf diesem Abschnitt nach Angaben der Deutschen Bahn (DB) durchschnittlich 22 Störungen pro Monat, die infrastrukturelle Gründe hatten. Das sind zwei mehr als 2023 und fünf mehr als 2022.

Ein Sprecher der DB ordnet die Statistik ein und teilt mit: „Diese Zahlen befriedigen uns nicht, denn darunter leidet auch die Pünktlichkeit.“ So beträgt die Gesamtpünktlichkeit zwischen Stuttgart und Tübingen heute in beide Richtungen 87,8 Prozent – etwa fünf beziehungsweise sieben Prozent weniger als noch im Jahr 2020. Auch in einer internen Bewertung der DB schneidet die Strecke stellenweise schlecht ab. Insgesamt erhielt sie dort 2023 ebenso wie im Vorjahr die Note 3,4, befindet sich also im mittelmäßigen Bereich. Einzelne Sektoren liegen jedoch deutlich darunter.

Plochingen als Nadelöhr

Besonders auffällig sind die Bahnübergänge, die sich von der Note 2,8 auf 4,9 verschlechtert haben. „Das spricht für größere Schäden an einzelnen Orten“, sagt der Grünen-Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel, der Mitglied des Aufsichtsrats der DB-Infrastrukturgesellschaft InfraGO ist. Wenn die Technik an einem Bahnübergang häufig nicht funktioniere, zum Beispiel aufgrund einer defekten Schranke, müssten sich die Züge langsamer nähern. Dadurch könne es zu Verzögerungen im Fahrplan kommen, erklärt der Politiker Gastel, der den Wahlkreis Nürtingen im Bundestag vertritt.

Ebenfalls abgerutscht ist die Note der Leit- und Sicherungstechnik, von 3,6 auf 4,1. Die Bewertung der Oberleitungsanlagen hat sich zwar leicht verbessert, liegt mit 4,6 aber immer noch auf einem niedrigen Niveau. „Diese drei schlechtesten Gewerke auf der Strecke sind allesamt relevant für Verspätungen“, sagt Gastel. Andere Bereiche wie die Stützwände oder die Brücken befinden sich zwar in einem besseren Zustand. Sie haben laut Gastel jedoch ohnehin kaum Auswirkungen auf die Pünktlichkeit.

Am Plochinger Bahnhof kommen häufig Züge aus verschiedenen Richtungen gleichzeitig an. Foto: Elke Hauptmann

Als besonders problematisch schätzt er den Abschnitt um den Plochinger Bahnhof ein, der sowohl von der Neckar-Alb-Bahn als auch von der Filstalbahn angesteuert wird. „Dort kommen häufig Züge aus Tübingen und Göppingen gleichzeitig an, können aber nicht getrennt voneinander einlaufen“, sagt Gastel. Deshalb müsse meistens einer abbremsen oder warten.

Neue Baumethode auch im Kreis Esslingen

Für Gastel sind Modernisierungen auf der Strecke zwischen Stuttgart und Tübingen wegen ihres schlechten Zustands dringend notwendig. Es sei aber nicht so, dass hier zu selten gebaut werde. Der Politiker sieht vielmehr die Effizienz als Problem an. Er sagt: „Es gibt häufige, teils sehr massive Einschränkungen durch Bauaktivitäten, aber keinen erkennbaren Fortschritt beim Zustand der Infrastruktur.“ Um dies zukünftig zu vermeiden, will die Bahn einem Sprecher zufolge auf eine neue Methode setzen. Sie nennt sich „Bauen im Takt“. Dabei werden einzelne Streckenbereiche über einen längeren Zeitraum – zwischen vier und acht Wochen – vor allem nachts erneuert. So ließen sich „gleich mehrere Gewerke auf einmal und auf längeren Abschnitten modernisieren“, erklärt Gastel.

Schwerpunkt auf Oberleitungsanlage

Die Arbeiten seien bei dieser Methode an den Fahrplan angepasst, sagt ein Bahnsprecher und fügt hinzu: „Kurzfristig notwendige Sperrungen werden dadurch auf ein Minimum reduziert.“ Er schränkt jedoch ein: „Die konsequente Umstellung auf ‚Bauen im Takt’ benötigt seine Zeit.“ Deshalb ist auch noch unklar, wann die Probleme der Strecke behoben werden sollen. Auf einem bundesweiten Sanierungsplan finde sich jedenfalls der Abschnitt zwischen Stuttgart und Tübingen, teilt der DB-Sprecher mit.

Der Schwerpunkt liege dabei auf der Oberleitungsanlage. Im laufenden Jahr habe die DB-Infrastrukturgesellschaft InfraGO unter anderem die Weichen am Nürtinger Bahnhof erneuert. Auch am Bahnhof Kilchberg bei Tübingen und an den Brücken zwischen Reutlingen und Tübingen fanden laut dem Sprecher zuletzt Arbeiten statt. All das wirke sich positiv auf die Gesamtbewertung des Abschnitts aus. Zusätzliche Maßnahmen auf dieser Strecke seien 2024 allerdings nicht mehr geplant.

Genaue Angaben dazu, wann weitere Sanierungen im Kreis Esslingen folgen sollen, macht die DB nicht. Von ihrem Sprecher heißt es, nach jetziger Planung stehe voraussichtlich 2027 eine achtwöchige eingleisige Sperrung auf der Neckar-Alb-Bahn an. Bis sich die Bahninfrastruktur in der Region nachhaltig verbessert, könnte es demnach noch etwas dauern. Vorläufig müssen die Fahrgäste in der Region also wohl weiterhin mit häufigen Verspätungen rechnen.

Der Plan der Bahn gegen die Verspätungen

Ankunft
 Nach Angaben des Datenportals Statista waren im September 2024 bundesweit 88,5 Prozent der Züge im Nah- und Fernverkehr pünktlich. Das bedeutet, dass sie maximal 5 Minuten und 59 Sekunden nach der geplanten Ankunftszeit am Bahnhof eintrafen. Im Fernverkehr schafften das lediglich 62,4 Prozent der Züge.

Bewertung
Die Bahn veröffentlicht jedes Jahr einen Netzzustandsbericht. Das bundesweite Gesamtnetz verschlechterte sich in dieser internen Bewertung von der Note 2,93 im Jahr 2021 auf 3,03 im vergangenen Jahr. Sicherheitsmängel ließen sich daraus allerdings nicht ableiten, teilt ein DB-Sprecher mit.

Sanierung
Im Herbst 2023 hat der Bund gemeinsam mit der DB einen Sanierungsplan für das deutsche Schienennetz vorgestellt. Bis 2030 sollen damit insgesamt 40 Strecken erneuert werden. Aufgenommen wurden Abschnitte mit einer schlechten Zustandsnote und einem gleichzeitig hohen Auslastungsgrad.