Die Bahn will GDL-Chef Claus Weselsky mit einem erneut verbesserten Angebot an den Verhandlungstisch locken. Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Die Bahnführung lockt die Lokführergewerkschaft mit einem neuen Angebot. Der Chef der Konkurrenzgewerkschaft EVG erwartet nun rasche Verhandlungen – und warnt schon mal davor, die EVG-Mitglieder zu benachteiligen.

Stuttgart - Die Deutsche Bahn bemüht sich im Tarifkonflikt mit der Lokführergewerkschaft um Entspannung. Sie hat der GDL ein neues Angebot vorgelegt, das neben einer Lohnerhöhung von 3,2 Prozent in zwei Stufen und einer Corona-Prämie von bis zu 600 Euro noch für dieses Jahr eine zusätzliche Entgeltkomponente enthält.

Die Bahn zeigt sich zudem bereit, den Anwendungsbereich der GDL-Tarifregelungen in den bisher festgelegten 16 Mehrheitsbetrieben der Lokführergewerkschaft „zu überprüfen“. Dies könnte bedeuten, dass deren Tarifverträge dort für weitere Berufsgruppen neben Lokführern und Zugbegleitern gelten dürfen. Die GDL kündigte knapp an, das Angebot zu bewerten und „zu gegebener Zeit über die weiteren Schritte zu informieren“.

„Nutzen gegebenenfalls alle Druckmittel“

Der Chef der konkurrierenden Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Klaus-Dieter Hommel, erwartet eine baldige Lösung. Er gehe davon aus, dass sich beide Seiten darüber einig seien, über das jüngste Angebot der Arbeitgeberseite zu verhandeln, sagte er im Interview unserer Zeitung. „Ich rechne damit, dass Anfang dieser Woche die Verhandlungen beginnen und dass sie diese Woche abgeschlossen werden.“

Wenn ein Tarifabschluss von Bahn und GDL vorliege, werde die EVG ihn prüfen. „Sollte der Abschluss die Mitglieder der EVG benachteiligen, werden wir von dem Recht einer Sonderkündigung Gebrauch machen“, betonte Hommel. „Dann führen wir Verhandlungen und nutzen gegebenenfalls alle Druckmittel, um unsere Forderungen umzusetzen.“ Der Bahnvorstand könne die Kampfkraft der EVG in Erinnerung des Streiks von 2018 einschätzen. „Und wenn die EVG jetzt streikt, steht die Eisenbahn vollständig“, betonte der Vorsitzende.

Hunderte EVG-Mitglieder an die GDL verloren

Der EVG-Chef räumte ein, dass seine Organisation in den vergangenen Monaten „deutlich weniger als 500“ Mitglieder an die GDL verloren hätte. „Das sind auch Menschen, die mit unserer Politik unzufrieden sind und sich offensichtlich vom Populismus der GDL beeindrucken lassen“, erläuterte er.

Zudem erhob er schwerwiegende Vorwürfe gegen die Konkurrenzgewerkschaft und deren Chef Claus Weselsky. An der Basis gebe es „Situationen, die mit Betriebsfrieden nichts mehr zu tun haben“, so Hommel. „Das geht bis zu Morddrohungen.“ Und es würden Kolleginnen und Kollegen gemobbt, weil sie EVG-Mitglied seien. „Wenn Sie sehen, was sich im Netz gegen unsere Mitglieder abspielt – da hat man das Gefühl, sich im Krieg zu befinden.“ Die GDL stelle „mit einer bisher nicht gekannten Brutalität und Unverfrorenheit“ das, was die EVG erreicht hätte, in Frage – um sich selbst zu retten. „Die GDL kämpft um ihre Existenz“, sagte Hommel.