Der NSU, der gewaltsame Tod des Kasseler Regierungspräsidenten, der Terroranschlag auf die Synagoge in Halle: Die Fälle haben gezeigt, dass Rechtsextremismus in Deutschland tödliche Folgen haben kann. Das Wissen zu dem Thema soll verbessert werden. Dafür gibt es einen Plan.
Karlsruhe - Für mehr Erkenntnisse über Rechtsextremismus soll Baden-Württemberg eine eigene Forschungsstelle bekommen. Die Vorbereitungen seien getroffen, sagte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) anlässlich einer zweitägigen Online-Tagung „Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland“ im Karlsruher Generallandesarchiv. Über die Ausgestaltung scheiden sich aber die politischen Geister. FDP und AfD stoßen sich am Fokus auf Rechts.
Bauer sagte nach Angaben des Ministeriums, der „Phänomen- und Forschungsbereich“ sei mit Hilfe hochkarätiger Expertinnen und Experten umfassend aufgearbeitet worden. Nach der Landtagswahl im März müsse dann die Forschungsstelle geschaffen und auch finanziell dauerhaft verankert werden mit festem Personal. Die Dokumentation und Erforschung von Rechtsextremismus sei von zentraler, überparteilicher „und leider auch zeitloser Bedeutung“, so die Ministerin. „Ich hoffe auf eine breite gesellschaftliche wie politische Unterstützung.“
Enger Austausch mit bundesweiten Experten sei nötig
Der Hochschulexperte der Grünen im Landtag, Alexander Salomon, sagte: „Wir müssen langfristig die Strukturen im Kampf gegen Rechts stärken. Sensibilisierung vor Rechtsextremismus reicht von der Schule bis zur Demokratiebildung für Erwachsene.“ Die neue Forschungsstelle solle Licht ins Dunkle bringen. „Wichtig ist eine planvolle Herangehensweise, denn bei der gebündelten Erforschung rechtsextremer Entwicklungen haben wir im Land bislang eher wenig Erfahrungen gesammelt. Eine Forschungsstelle will daher gut konzipiert sein – auch um Doppelarbeit mit anderen Forschungseinrichtungen zu vermeiden.“ Nötig sei ein enger Austausch mit bundesweiten Experten.
Der wissenschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Nico Weinmann, erklärte am Mittwoch, eine Extremismus-Forschungsstelle sei eine zwingende Konsequenz aus den Erfahrungen im Untersuchungsausschuss NSU im Landtag und längst überfällig. Man sollte den Fokus aber nicht auf den Rechtsextremismus verengen. „Denn auch die anderen Formen des politischen Extremismus und Terrorismus bedürfen der begleitenden wissenschaftlichen Erforschung von Entwicklungen und Präventionsstrategien.“ Die Landesregierung habe aber einen Antrag auf eine ordentliche Anlaufstelle an einer Hochschule im Südwesten bei den Beratungen zum Doppelhaushalt 2020/21 abgelehnt.
Fraktionssprecher der AfD: Pläne seien absurder Unsinn
Deutlich schärfere Worte fand der wissenschaftspolitische Fraktionssprecher der AfD, Bernd Grimmer, und bezeichnete die Pläne als „absurden Unsinn“. Er verwies auf zahlreiche Fälle linksextremer Gewalt in Deutschland und islamistischen Terror. Er warf Bauer vor, Ideologie zu organisieren und zu finanzieren. „Es kommt aber darauf an, endlich jeglichen Extremismus zu ächten und zu bekämpfen!“
Bei der am Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust gestarteten und Donnerstag endenden Tagung diskutieren unter anderem Experten über rechtsextremistische Strukturen in der Gesellschaft. Zudem soll eine 2020 eingerichtete Dokumentationsstelle zum Thema Rechtsextremismus weiter publik gemacht werden, die eines der größten Archive zu rechtsextremistischen Dokumenten werden soll. Sie soll laut Bauer auch „neue Formen rechten Denkens und Agierens“ aufnehmen wie „Reichsbürger“, „Querdenker“ und Verschwörungsmythen.