Babys nehmen durch das Trinken aus Polypropylen-Flaschen im Durchschnitt täglich knapp 1,6 Millionen Mikropartikel auf. Foto: Andrea Warnecke/dpa

Die meisten Babyflaschen sind aus Polypropylen-Kunststoff. Beim Erhitzen und Schütteln wird enorm viel Mikroplastik frei, wie eine Studie zeigt. Säuglinge nehmen so ein bis zwei Millionen Mikropartikel auf – pro Tag.

Dublin - Babyflaschen aus Kunststoff sind praktisch, leicht und stabil. Doch handelsübliche Produkte aus Polypropylen (PP) setzen beim Erhitzen und Schütteln große Mengen Mikroplastik frei. Beim Einsatz solcher Produkte nähmen Flaschen-Babys in den ersten zwölf Monaten pro Tag durchschnittlich knapp 1,6 Millionen Partikel auf, berichten irische Forscher im Fachblatt „Nature Food“.

In einem „Nature“-Kommentar schreibt der Mediziner Philipp Schwabl von der Uniklinik Wien, die Resultate klängen alarmierend, die gesundheitlichen Folgen solcher Mengen müssten aber noch geklärt werden. Die Belastung von Menschen weltweit mit Mikroplastik (Teilchen mit einem Durchmesser unter fünf Millimetern) wird wegen möglicher gesundheitlicher Folgen mit Sorge beobachtet.

Winzige Teilchen könnten das Gehirn beeinflussen

Mikropartikel seien im Stuhl von Menschen nachgewiesen und könnten möglicherweise zu Störungen der Darmflora oder des Fettstoffwechsels führen, schreibt das Team um Liwen Xiao vom Trinity College Dublin in der Studie. Womöglich könnten winzige Teilchen sogar die Blut-Hirn-Schranke passieren und das Gehirn beeinflussen, spekulieren sie.

Bisher habe sich die Forschung auf Mikroplastik-Quellen in Wasser und Lebensmitteln konzentriert und den direkten Eintrag aus Plastikbehältern vernachlässigt. Nachgewiesen ist demnach, dass etwa Teebeutel und Flaschen aus Polyethylenterephthalat (PET) bei normalem Gebrauch Mikroplastik abgeben.

Nun untersuchten die Forscher handelsübliche PP-Babyflaschen verschiedener Marken im täglichen Gebrauch. In Deutschland haben die zehn getesteten Produkte einen Marktanteil von rund 72 Prozent.

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1,3 und 16,2 Millionen Mikropartikel in einem Liter

Zunächst sterilisierten sie die Flaschen fünf Minuten lang mit 95 Grad Celsius heißem Wasser. Danach füllten sie etwa 70 Grad warmes destilliertes Wasser ein und schüttelten die Flasche dann 60 Sekunden. Nach dem Abkühlen gossen sie das Wasser durch einen Filter und analysierten anschließend dessen Inhalt.

Bei den vollständig aus PP gefertigten Flaschen fanden sie pro Liter zwischen 1,3 und 16,2 Millionen Mikropartikel. Bestand nur Zubehör der Flasche aus dem Kunststoff, waren es noch zwischen 70 000 und 270 000 Mikropartikel.

Weitere Experimente zeigten, dass die Zahl der Mikropartikel vor allem von der Temperatur abhängt: In einer PP-Flasche lag die Menge der Teilchen nach Erhitzen auf 95 Grad Celsius um etwa den Faktor 100 höher als bei 25 Grad – 55 Millionen im Vergleich zu 600 000. Auch das Schütteln verstärkte die Freisetzung von Teilchen.

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Babys nehmen pro Tag ein bis zwei Millionen Mikropartikel auf

Im nächsten Schritt schätzten die Forscher die jährliche Aufnahme an Mikropartikeln während der ersten 12 Lebensmonate eines Kindes für 48 Länder und Regionen: Im Mittel liegt die tägliche Aufnahme demnach bei knapp 1,6 Millionen Mikropartikeln.

Für Deutschland, Österreich und die Schweiz gehen die Forscher von ein bis zwei Millionen Mikropartikeln pro Tag aus – deutlich weniger als etwa in Frankreich, Großbritannien, Italien und Polen. „Der auffällige Unterschied in der jeweiligen Belastung hängt mit Unterschieden im Stillen und der Nutzung für PP-Produkten oder anderen Produkten zusammen“, erläutert das Team. Zum Vergleich: Bisher ging man davon aus, dass Erwachsene pro Tag etwa 600 Partikel Mikroplastik aufnehmen.

Albert Braeuning vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) nennt den Nachweis von Mikroplastik in den Kunststofflaschen „nicht überraschend“. Zu etwaigen Folgen für den Organismus lägen bisher kaum Daten vor. Nach derzeitigem Wissensstand sei aber „nicht davon auszugehen, dass von Mikroplastik-Partikeln in Lebensmitteln gesundheitliche Risiken für den Menschen ausgehen“.

Glasflaschen als Alternative

Die Forscher aus Dublin raten dazu, möglichst alle Schritte zu vermeiden, bei denen PP-Babyflaschen thermischer und mechanischer Belastung ausgesetzt sind, und nur fertige und abgekühlte Kost in die Flaschen zu füllen. Zwar müsse man die Flaschen regelmäßig sterilisieren. Danach solle man sie aber mehrmals mit kühlerem Wasser ausspülen. BfR-Experte Braeuning betont, dass Glasflaschen eine Alternative zu Plastikprodukten sein können.

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