Der regionale Wirtschaftsförderer Walter Rogg macht auch in der Krise Mut: „Unsere Stärken bestehen weiter.“ Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Wie kommt man aus der Corona-Krise – mit dem Bekenntnis zum Auto von heute oder mit dem Umbau zur neuen Mobilität? Damit beschäftigte sich der Wirtschaftsausschuss der Regionalversammlung. Die Debatte legte auch einen Konflikt bei den Grünen offen.

Stuttgart - Die Regionalversammlung gehört nicht zu den Lieblingskindern der Landespolitik, was sich auch daran zeigt, dass ein Zuwachs an Aufgaben und Zuständigkeiten im Staatsministerium, in Ministerien und im Landtag seit mehr als einem Jahrzehnt auf taube Ohren stößt. Deshalb ist es schon außergewöhnlich, wenn wie am Mittwoch in Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) ein hochrangiges Kabinettsmitglied zu einer Sitzung des Wirtschaftsausschusses erscheint. Auf der Tagesordnung standen die Folgen der Corona-Krise für die regionale Wirtschaft.

Viel Neues hatte die CDU-Politikerin, die die Lockerungen für einzelne Branchen und die hoch dotierten Soforthilfeprogramme von Bund und Land darstellte, nicht zu verkünden, sieht man einmal davon ab, dass sie forderte, dass in absehbarer Zeit „auch Messen unter Auflagen wieder veranstaltbar“ sein müssten. Wenn es darum gehe, die „tiefste Krise“ seit Jahrzehnten zu meistern, werde gerade in der Region Stuttgart „vieles davon abhängen, wie sich die Automobilwirtschaft und ihre Zulieferer entwickeln“. Deshalb hoffe sie, dass bei der Stützung dieser Schlüsselbranche die Region ihre Stimme erhebe, sagte Hoffmeister-Kraut – ohne die umstrittene Autokaufprämie explizit zu erwähnen.

Bekenntnis zum Auto

An der Frage, wie die Krise zu bewältigen sei, wurden in der Debatte dann unterschiedliche Gewichtungen deutlich. CDU/ÖDP, Freie Wähler und AfD bekannten sich eindeutig zu einer Unterstützung der Autobranche. „Nur sie und der Maschinenbau können uns nach der Krise wieder nach vorne bringen“, sagte CDU-Regionalrat Andreas Koch, der wegen der Defizite der öffentlichen Haushalte Steuererhöhungen für wahrscheinlich hält. „Wir müssen uns zum Automobil bekennen“, sagte Freie-Wähler-Regionalrat Andreas Hesky, heute sei es doch schon „fast eine Erfolgsmeldung, wenn es Staus gibt“, meinte er.

Dem widersprach SPD-Regionalrat Jürgen Zieger: „Stau ist kein Qualitätsmerkmal für erfolgreiche Mobilität.“ Ohne Konjunkturprogramme „und zur Not auch eine Autokaufprämie“ werde die Wirtschaft nicht aus der Krise kommen, entscheidend sei aber, dass in Produktions- und Mobilitätsmodelle der Zukunft investiert werde. Dazu gehöre auch die öffentliche Daseinsvorsorge von der Kinderbetreuung bis zur Gesundheitsversorgung, für die die Kommunen mehr finanzielle Unterstützung vom Land bräuchten.

Nachhaltiger Umbau der Wirtschaft

Für eine klare Neuorientierung der Wirtschaft sprachen sich Grüne und Linke/Pirat aus. „Es gibt kein Zurück zur Vor-Coronazeit“, sagte Grünen-Regionalrat Ludger Eltrop, die Region müsse eine Lokomotive für Innovationen werden, mit denen die Klima-, die Struktur- und die Gerechtigkeitskrise überwunden werden könnten. „Wir brauchen keine Auto-, sondern eine Nachhaltigkeitsprämie“, sagte er. Linke/Pirat fordern einen „sozialökologischen Umbau“. Die FDP sieht die Zeit gekommen für eine Entbürokratisierung und den Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente, die AfD will Steuerentlastungen für Unternehmen.

Streitsymbol Autoprämie

Zum Symbol des Streits um den richtigen Weg aus der Krise könnte also die Autoprämie werden, die ja auch von Ministerpräsident Winfried Kretschmann favorisiert wird. Innerhalb der Grünen regt sich Widerstand. Nicht nur Eltrop, auch seine Fraktionskollegin Heike Schiller lehnte sie rundweg ab. Das Exportgut Auto sei kein Zukunftsmodell: „Wir brauchen den Umbau zu einer neuen Mobilität“. Da war die CDU-Ministerin schon gegangen: Telefonkonferenz wegen Corona.

Was sagt der regionale Wirtschaftsförderer zur Lage

Rund 30 Prozent der Beschäftigten in der Region sind vom Herunterfahren der Wirtschaft betroffen. Am höchsten ist der Anteil im Kreis Böblingen (38,6 Prozent), gefolgt von den Kreisen Esslingen (34), Rems-Murr (30,9), Ludwigsburg und Göppingen (je 29,4) sowie der Stadt Stuttgart (22,5). In der Automobilbranche gehe es für jeden dritten Zulieferer um die Existenz, so der regionale Wirtschaftsförderer Walter Rogg. Stark betroffen seien auch der Maschinenbau, der öffentliche Verkehr, die Kultur- und Kreativwirtschaft.

Die regionale Wirtschaftsfördergesellschaft WRS bietet vielfältige Unterstützung. Dazu zählt auch die in Kooperation mit unseren Zeitungen entstandene Online-Kooperationsbörse für Unternehmen. Sie wird mit Unterstützung des Wirtschaftsministeriums nun in allen Regionen des Landes etabliert.

Zwar seien „wir alle Suchende“, wenn es um die Frage gehe, wie die Krise bewältigt werde. Aber die Region sei im vergangenen Jahrzehnt wirtschaftlich mit einer Steigerung des Bruttoinlandprodukts um 50 Prozent erfolgreich gewesen. „Unsere Stärken bestehen weiter“, sagte Rogg. Man habe „keine zerstörten Fabriken, Forschungslabors, Unis und Schule. Das ist nicht weg.“ Man könne wieder auf- und umbauen zu einem nachhaltigen Wirtschaften.