Einen Kinosessel abzuschrauben, ist gar nicht so einfach. Foto: Jacqueline Fritsch

Das Capitol-Kino in Kornwestheim erneuert sein Mobiliar. Privatleute konnten die alten Kinosessel für wenig Geld kaufen – und haben sie nun selbst ausgebaut.

Im Kinosaal „Little Red“ spenden die Lampen an der Wand kaum Licht. Ein paar Handy-Taschenlampen funkeln im Dunkeln, ganz hinten steht ein heller Baustellenstrahler. Auch der gibt aber nur einem Teil des Saals das nötige Hell. So kämpfen sich vier Männer durch die Dunkelheit und schrauben mit aller Hingabe Kinosessel ab. Schrauben klackern aneinander, die Männer schnaufen schwer – so anstrengend sind ihre Kinobesuche normalerweise nicht.

Das Capitol-Kino in Kornwestheim verkauft all seine roten Sitze aus dem Saal „Little Red“. Im vergangenen Jahr gab es die gleiche Aktion schon im größeren Kinosaal „Capitol“. Der Betreiber hatte zuletzt viel Geld in das Kino investiert, unter anderem eben in neue Sessel. Für „Little Red“ werden die neuen Möbel – selbstverständlich im typischen Rot – in diesen Tagen angeliefert. Vorher mussten die alten aber raus. Jeder, der schnell genug war, konnte sich ein Exemplar sichern. Der Preis: pro Stück acht Euro plus Abschrauben mit eigenem Werkzeug und eigener Kraft.

Frei nach dem Motto: besser haben als brauchen

Eine Frau hat das unglaublich klug gelöst: Sie macht gerade Urlaub auf einer warmen Insel, während sie ihren Nachbarn in Kornwestheim Kinosessel abmontieren und nach Hause bringen lässt. „Wenn man solche Freunde hat, braucht man keine Feinde mehr“, sagt der und lacht. Nein, natürlich macht der Mann das gerne für seine Nachbarin. Schließlich liege ihm das Handwerken im Blut, erzählt er. Und als Rentner habe er auch genügend Zeit für solche Aktionen. Was seine Nachbarin mit den Kinosesseln anfangen will? Das weiß er nicht.

Ibbe Waldemar weiß auch noch nicht so genau, welchen Platz die roten Sessel künftig bei ihm bekommen. Drei Stück nehmen er und seine Frau jedenfalls mit nach Hause – und lagern sie erst einmal im Keller. „Es ist ja immer gut, sie da zu haben, falls man mal die Wohnung neu einrichten will“, meint er. Er ist aus Bad Cannstatt angereist, um die Sessel abzuschrauben. Auch ob sie alle ins Auto passen, weiß er noch nicht. „Notfalls fahren wir zweimal“, sagt er – doch was tut man nicht alles für einen Kinosessel? „Wenn sich so etwas Verrücktes einmal ergibt, muss man doch zugreifen“, so Waldemar.

Schuhe anziehen mit Luxusgefühl

Mindestens sechs der 76 Stühle bleiben in Kornwestheim – bei einem 38-Jährigen, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Er will vier Sessel auf seinen Balkon stellen und zwei weitere sollen in seinem Flur als „Schuhanziehbänkle“ dienen. „Ich habe schon öfter etwas gesucht, wo man Kinosessel kaufen kann, aber die waren mir immer zu teuer“, sagt er. Deshalb hat er die Chance nun genutzt und kann sein Zuhause endlich nach seinen Vorstellungen dekorieren.

Die Kinomitarbeiter gehen davon aus, dass die neuen Stühle im „Little Red“ innerhalb von etwa zwei Tagen montiert sein dürften. Der Kinobetrieb kann bald weitergehen. Nur wie lange das so bleibt, weiß man zurzeit nicht. Der Betreiber Michail Toronidis fürchtet, das Kino schon Ende des Jahres schließen zu müssen. Hintergrund ist, dass er im gleichen Gebäude ein Casino betreibt, das Anfang September im Zusammenhang mit dem neuen Landesglücksspielgesetz abrupt schließen musste. Da ihm die Einnahmen aus dem Casino nun fehlen, kann er das Kino alleine nicht mehr lange finanzieren. Die neuen Sessel allerdings waren da schon bestellt und werden nun noch eingebaut.