Wer fühlt sich hier auf den Schlips getreten? Rolf-Bernhard Essig jedenfalls nicht. Foto: Jürgen Bach

Im Stadtmuseum Gerlingen kann man in der Schau „Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt“ Redewendungen und Sprichwörtern nachspüren.

Ein schräger Vogel! Seinen Hut hat er schief auf dem Kopf, auf seiner knallbunten Krawatte steht ein lila Damenpumps und aus seiner Jacke schaut eine Spielkarte heraus! Die Schaufensterpuppe, die da so unvermittelt im Obergeschoss des Stadtmuseums Gerlingen ums Eck lugt, steht gleich für drei Redewendungen: Ein schräger Vogel, dem jemand auf dem Schlips getreten ist, aber der ein Ass im Ärmel hat. Der künstliche Mann ist in mannigfaltiger Nachbarschaft! Beleuchtet doch die neue Sonderausstellung die lustigen Geschichten hinter den Redensarten. „Wir verwenden rund hundert Sprichwörter und Redensarten am Tag, ohne es zu bemerken“, sagt Museumschefin Birgit Knolmayer. Etwa 300 000 gebe es allein in der deutschen Sprache. „In Gesprächen sind sie das Salz in der Suppe und doch haben wir oft keinen blassen Schimmer, woher sie historisch kommen.“

Begeistert zeigt Knolmayer auf ein Miniatur-Sofa in einer Glasvitrine, unter dem allerlei Dinge hervorlugen. „Kennen Sie das? Genau, da schauen wir bei ‚Hempels’ unter dem Sofa!“, sagt sie, bevor Autor, Literaturkritiker, Entertainer und Dozent Rolf-Bernhard Essig, der „Indiana Jones der Sprachschätze“, den Unterschied von Redensart und Sprichwort erläutert. Eine Redewendung sei bekannt, allerdings kurz und ein unselbständiger Satzteil mit teilweise rätselhaften Ursprung. „‚Schwein haben’ zum Beispiel“, so Essig. „Ein Sprichwort ist wiederum ein vollständiger Satz, meist mit einem lehrhaften Inhalt in gehobener Sprache, der bekannt ist.“ Auffällig sei hier die klare Form wie am Beispiel „Sich regen, bringt Segen“ zu hören. „Und sie können durchaus widersprüchlich sein, wie etwa ‚Gleich und Gleich gesellt sich gern’ und ‚Gegensätze ziehen sich an’.“

In Afrika zeigen Redewendungen und Wortwitz, dass Gäste willkommen sind

Essig, der Germanistik und Geschichte studierte, hat zahlreiche Bücher zum Thema geschrieben und auch in Ausstellungen gegossen. Auch die Schau in Gerlingen hat er kuratiert – sie trägt den Titel seines Buchs „Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt“, zu dem Marei Schweitzer die Illustrationen beigesteuert hat. Diese sind denn auch zu sehen, von der Frau, die am Zopf durch den Kakao gezogen wird bis zum Würmer aus der Nase ziehen. Was aufgrund der Pandemie-Erfahrung manche an einen Coronatest gemahnen mag. Sprichwörter und Redewendungen seien denn auch Zeugen der Zeit, so Essig und freilich auch den Zeichen der Zeit unterworfen. Und so manches was Opa und Oma noch kannten, weiß der junge Enkel nicht mehr. „Da kann man voneinander lernen!“ Und so mancher Steppke könne auf dem Schulhof punkten, wenn er „Potzblitz!, Schockschwerenot!“ rufe. Mancherorts, etwa in in Ländern Afrikas, gehörten Redewendungen zum ersten Austausch, um das Eis zu brechen und mit Sprachbildern und Wortwitz zu zeigen, dass Gäste willkommen sind. Wie Essig zu diesem speziellen Forschungsgebiet gekommen ist? „Bei meinem Namen!“, scherzt der Mann, der zudem mit Franz Tröger als „Die Streifenhörnchen“ mit einer musikalischen Sprichwort-Sprechstunde tourt, bevor er bekennt, dass er dies wohl auch mit der Muttermilch aufgesogen habe. „Meine Mutter war Lehrerin, mein Vater Seemann, später Kaufmann, ich bin mit Sprüchen groß geworden.“ Und als der gebürtige Hamburger dann im fränkischen Kulmbach aufwachsen durfte, quasi in den Dialekt geworfen wurde, war seine Sprachneugier geweckt.

Es gibt Mitmachstationen für Jung und Alt

Zurück nach Gerlingen: Dort bietet die wort-, bild- und objektreiche Schau unendliche Möglichkeiten. So können Alt und Jung an zahlreichen Mitmachstationen ihr Wissen um die Wörter testen, an Glaskästen raten, was gemeint ist, wenn eine Kuh auf glattem Boden steht oder Esel sich zum Übergang stapeln. In der Kinderwerkstatt ist freilich auch Mitmachen angesagt und viel zu entdecken, etwa die Prinzessin auf der Erbse, wie überhaupt im gesamten Museumskomplex – wer genau sucht, findet auch die Leiche im Keller – sowie im Stadtgebiet. „Im ganzen Ort sind derzeit an vielen Geschäften und Institutionen passende Redewendungen zu entdecken“, sagt Museumsleiterin Knolmayer. Und Expressionsexperte Essig betont: „Wir wollen mit dieser Ausstellung die Kommunikation anregen, das Gespräch darüber, was die Dinge bedeuten, was man nutzen kann und was nicht.“

Ausstellung Zu sehen bis 17. September im Stadtmuseum, dienstags und samstags 14 bis 18 Uhr, sonntags 11 bis 18 Uhr. Programm unter www.gerlingen.de/Stadtmuseum.