Die Künstlerin Hannah Zenger arbeitet mit Naturlatex. Foto: /Petra Bail

Ein Sprungbrett in die Karriere als Künstlerin war das Atelier-Stipendium in Plochingen für Hannah Zenger. Ihre Arbeiten sind nun im Dettinger Park zu sehen.

Betritt man die Alte Steingießerei im Kulturpark Dettinger, gerät man ins Staunen. Ein hellgolden leuchtendes Banner, kostbar und edel, hängt von der Decke. Es verwandelt die historische Industriehalle in einen sakralen Raum. Beim Näherkommen fällt der intensive Geruch auf, dann sieht man klarer. Von wegen Blattgold. Naturlatex hat die Landkreis-Stipendiatin Hannah Zenger verwendet, um einen dreiteiligen Abguss des herrlichen Bodenbelags der Alten Steingießerei herzustellen.

Mit erhobenem Blick erhält der Betrachter einen völlig neuen Blickwinkel auf den Boden. „On earth“ betitelte die 34-jährige Stuttgarter Künstlerin ihre Abschlussausstellung nach mehr als dreijähriger Stipendiatenzeit in Plochingen. Sie ist die letzte der insgesamt vier Stipendiaten der zehnten Generation, die mit einer Einzelausstellung ihren Aufenthalt im Kulturpark Dettinger beschließt.

Ein kleines Geheimnis bleibt

Nicht nur diese raumbezogene, monumentale Arbeit ist sehenswert. Der Kunsthistoriker Tobias Wall unterstrich in seiner Einführungsrede und im Gespräch mit der Künstlerin während der Vernissage, dass bei allen Gegenständen immer ein kleines Geheimnis bleibt. Und das, obwohl sich Hannah Zenger selbst als künstlerische Forscherin versteht, die Naturmaterialien auf ihre Elemente reduziert. Steine, Erden, auch Äste werden pulverisiert, denn Zenger ist zutiefst überzeugt: „Die Transformation macht sichtbar, woraus die Welt besteht.“ Schön anzusehen ist das außerdem, wie die zig identischen Glasfläschchen mit farblich und mengenmäßig unterschiedlichen Inhalten sehr griffig demonstrieren.

Sie schafft ein Abbild der Wirklichkeit auf naturwissenschaftlicher Ebene und wirft dabei einen ökologischen Blick auf die Welt. Die Äste eines völlig verkohlten Erdbeerbaums nach einem Waldbrand auf Elba, den sie beim letztjährigen Urlaub auf der Autorückbank nach Plochingen transportiert hat, sind dafür ein Beispiel. In der Alten Steingießerei entwickeln die samtschwarzen Zeugnisse der Umweltzerstörung eine eigene grafische Schönheit, attestiert der Kunstexperte dieser besonderen Arbeit.

Sprung in die Kunstszene ist geglückt

Das Stipendium hat Hannah Zenger intensiv genutzt, um auszuloten, ob sie sich als freie Künstlerin auf dem Markt etablieren kann. Offenbar mit Erfolg, wie Landrat Heinz Eininger in seinem Grußwort bemerkte – ihm ist die Kunstförderung ein großes Anliegen. „Sie war erfolgreich unterwegs“, knüpfte Kontakte, arbeitete für Ausstellungen, wie für ihre erste museale Einzelschau im Rahmen von „Frischzelle“ im Kunstmuseum Stuttgart, die am Sonntag zu Ende gegangen ist. Auf Einladung des Landtags von Baden-Württemberg sprach sie als Vertreterin der freien Kunst- und Kulturbranche zur schwierigen Coronasituation.

Ein bisschen Wehmut schwingt mit beim Abschied aus dem beschaulichen Plochingen. Doch das neue Atelier im lebendigen Stuttgarter Westen will bezogen sein. Im kommenden Jahr tritt die Künstlerin ein Stipendium in Paris an.

Die neuen Stipendiaten kommen

Ende Oktober wird bekannt gegeben, welche vier Kunstschaffenden den Zuschlag des Landkreises Esslingen für ein dreijähriges Atelierstipendium von Januar 2023 bis Dezember 2025 im Kulturpark Dettinger bekommen. Laut Sarah Panten, Sachgebietsleiterin für Kultur, sind 24 Bewerbungen von insgesamt 25 Künstlerinnen und Künstlern und damit neun mehr als zur vorangegangenen Vergabe eingegangen. Zwei Bewerber wollen gemeinsam in einem Atelier arbeiten.

Die aktuelle Ausstellung von Hannah Zenger im Dettinger Park in Plochingen ist noch am Dienstag, 18. Oktober, um 19 Uhr, geöffnet.