Außenministerin Annalena Baerbock wird von Maischberger nach ihren Kindern gefragt. Foto: dpa/Michael Sohn

Starker Auftritt von Außenministerin Baerbock bei Sandra Maischberger in der ARD: Sie zeigt ihre Verachtung für Putin und sagt, warum es keinen Importstopp für Russengas gibt.

In den Zeiten des Krieges ist ja viel erlaubt, und auch ARD-Moderatorin Sandra Maischberger gestattete sich am Mittwochabend ein bisschen das Stöbern in der privaten Welt von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne): Ihre beiden Kinder seien ja sieben und elf, so Maischberger, und ob sie denen erklären könne, was Atomwaffen seien und ob sie ihnen die Befürchtung nehme, dass der Krieg auch zu uns komme. Annalena Baerbock antwortete, dass man alles dafür tun werde, dass der Krieg nicht zu uns kommt und dafür, dass vor allem die ukrainischen Kinder „in Frieden leben“. Im Übrigen sei es ein großes Glück der jungen Generation, dass sie in Frieden aufgewachsen sei und manche fragten sich, was die Europäische Union eigentlich bedeute, aber sie sei nun mal der Rahmen gewesen, in dem Ex-Feinde wie Deutschland und Frankreich zueinandergefunden hätten.

Verständnis für Joe Biden

Ansonsten zeigte die zur Talkrunde zugeschaltete Baerbock in ihrem Beitrag eine glasklare Haltung gegen Moskau und ihre deutliche Verachtung für Wladimir Putin. Angesprochen auf die Aussagen von US-Präsident Joe Biden, der einen „Regime change“ in Moskau wünschte – „in Gottes Namen, dieser Mann darf nicht an der Macht bleiben“ - sagte Baerbock, dass die Worte Bidens zeigten, dass in dem US-Präsidenten „ein Mensch“ stecke. 140 Staaten in der Welt hätten Sanktionen vereinbart, um das „Machtzentrum Putins“ zu treffen. Dieser Mann habe vor wenigen Jahren noch im Bundestag über Frieden gesprochen, jetzt habe er mit dem Frieden gebrochen und führe einen Angriffskrieg gegen unschuldige Menschen.

Kriegsverbrecher? Das müssen Gerichte entscheiden

Gefragt, ob sie in Putin einen Kriegsverbrecher sehe, antwortete Baerbock unzweifelhaft: Zum einen müssten Gerichte den Status eines Kriegsverbrechers benennen, „aber was ich sehe, ist ein Krieg mit Kriegsverbrechen. Da werden Krankenhäuser und Schulen bombardiert, humanitäre Hilfe wird nicht zugelassen.“ Vor einem weitergehenden Engagement der Nato – falls Moskau chemische oder biologische Waffen gegen die Ukraine einsetzt – warnte Baerbock dennoch: „So sehr es einem das Herz zerreißt, da droht ein dritter Weltkrieg.“ Ein Mann wie Putin – der Geburtskliniken bombardieren lasse – schrecke vor nichts zurück.

Russen seien in der Defensive, sagt Baerbock

Sehr deutlich machte Baerbock, dass sie in Äußerungen des russischen Präsidenten keinerlei Vertrauen mehr habe. Das gelte auch für die Verhandlungen in Istanbul. Humanitäre Korridore anzukündigen und gleichzeitig zu bombardieren, „das passt vorne und hinten nicht“. Natürlich unterstütze die Bundesregierung jedes Friedensgespräch, aber die Vorstellungen von einer Neutralität der Ukraine – wie sie Putin vorschwebt und wie sie Kiew hat – seien weit voneinander entfernt. Auch den angeblichen Rückzug russischer Truppen zieht Baerbock in Zweifel: „Wir sehen doch die gleichen Bilder vom Kriegsgeschehen und wir haben Berichte unserer Nachrichtendienste, dass Odessa eingenommen werden könnte.“ Andererseits schicke Putin auch die russische Jugend in den Krieg, seinen Streitkräften gehe der Sprit aus und es drohe ihr ein Mangel in der Versorgung mit Lebensmitteln: „Die Russen sind in einer gewissen Art in der Defensive.“

Garantie aus Deutschland

Aber wie sieht nun Deutschlands Rolle im Konflikt aus? Können wir eine Garantie-Erklärung für die Ukraine abgeben, sollten wir Gas- und Ölimporte sofort stoppen, fragte Sandra Maischberger. Die Ukraine kämpfe für die Freiheit Europas, sagte Baerbock, „wo wir die Ukraine unterstützen können, da sollten wir es zu 100 Prozent tun“ – auch mit einer Garantie, so die Außenministerin. Die Ukraine sei ein freies Land und müsse es bleiben. Allerdings erwarte sie von den Gesprächen in Istanbul keinen Durchbruch.

Lieferstopp geht zu Lasten von Drittländern

Was einen Stopp der Energielieferungen anbelangte, verlangte Baerbock Augenmaß: Schon jetzt träfen die Sanktionen das Regime in Moskau „aufs Härteste“: Wegen der Sanktionen der Europäischen Zentralbank könne Russland die Einnahmen aus seinen Rohstoffexporten gar nicht nutzen. Man müsse einen Ausstieg aus den fossilen Energielieferungen vorbereiten, da reiche es nicht, wenn man einen Tag durchhalte. „Wir können unseren Ausstieg auch nicht zulasten anderer Länder vollziehen.“ Wenn die EU weltweit woanders einkaufe, gehe das zu Lasten von Staaten wie dem Libanon – der ohnehin schon vor dem Staatsbankrott stehe – oder Indonesien. Gehe man diesen Weg, dann drohe die weltweite Sanktionshaltung gegen Moskau „wegzubrechen“.

Der Ausstieg von Importen wird vorbereitet

Den vollen Ausstieg aus Kohle, Gas und Öl bereite die Bundesregierung bereits vor, sagte Baerbock, die Abhängigkeit von Ölimporten sei in den letzten Wochen bereits von 35 auf 25 Prozent verringert worden und im Herbst oder Winter werde man auch beim Gas aussteigen. Von Sandra Maischberger nach der ukrainischen Kritik an Deutschland wegen seiner Energiepolitik und der russischen Pipeline Nordstream 2 gefragt, ging Ministerin Baerbock in die Vollen: „Unsere Strategie der letzten Jahre war komplett falsch.“ Die Pipeline sei ein Fehler gewesen, die sei kein wirtschaftliches, sondern ein geopolitisches Projekt gewesen. Die Empörung des ukrainischen Präsidenten über Deutschland, dessen Land angegriffen werde, könne sie nachvollziehen: „Wir werden alles tun, um die Ukraine zu unterstützen.“