Früher trugen Bräute schwarz und heute landet ein Fallschirmspringer. Auf den Hochzeitsbildern im Haus der Geschichte gibt es Geschichten und Geschichte zu entdecken.
Was für ein schönes Paar! Die Braut strahlt mit dem Weiß ihres Kleides um die Wette. Die Schleierspitze umkränzt ihr Haupt wie eine Gloriole. Ihr Bräutigam lächelt sanft in die Kamera, den Kopf in Richtung seiner Angetrauten geneigt. Was sich auf dem Bild von Maria und Eduard Kern aus Kirchhausen bei Heilbronn abbildet, scheint pure Freude aneinander und über diesen Tag zu sein, ja, vielleicht über das Leben ganz allgemein in diesem Moment der Innigkeit.
Ein typisches Hochzeitsfoto also? Ja und nein. Das Motiv scheint in seinem Arrangement vertraut, tausendmal gesehen, und offenbart im Detail doch das Spezifische seiner Zeit: Die Kerns heiraten 1941. Eduard trägt Uniform, schon bald wird er wohl zurückkehren müssen in den Dienst. 1941, das ist das Jahr, in dem der Zweite Weltkrieg mit dem Russlandfeldzug endgültig in seine bestialische Phase eintreten wird.
Eine Wand mit Hochzeitsfotos
Das Foto des Paares ist Teil einer Wand mit Hochzeitsbildern, die in der Dauerausstellung des Hauses der Geschichte in Stuttgart zu sehen ist. Ein Kaleidoskop dieses „ewigen Bundes“ zeigt sich dort, aber auch ein Abbild der Zeitläufte und gesellschaftlichen Normen, denen die Verbindung zweier Menschen unterworfen ist – von den Anfängen der Fotografie bis in die Gegenwart. „In diesem Spannungsfeld zwischen Dokumentation und Inszenierung des Privaten sind Fotografien Quellen für den Wandel des privaten Lebens in Baden und Württemberg seit über 150 Jahren“, schreibt Kuratorin Sabrina Müller im Katalog dazu.
Die Historikerin hat seinerzeit die Aufnahmen für den Raum mit Familienfotografien zusammengetragen. Hat dafür die Nachlässe von Amateur- und Pressefotografen gesichtet, in Archiven und privaten Familienalben recherchiert. In ihrem Arrangement der Bilder legt sie Entwicklungslinien frei, zeichnet chronologisch die Geschichte der Hochzeitsfotografie nach, aber auch dieser Lebensform generell.
Dass zum Beispiel Paare lächeln, wie Maria und Eduard Kern es tun, sich einander zuneigen, Liebe zeigen, war in den 30er und 40er Jahren neu. Zuvor galt es, die steifen Posen aus der Frühzeit der Fotografie einzunehmen, als die Belichtung noch bis zu einer halben Minute dauerte und ein Termin beim Fotografen dem Gang zum Notar glich. Auf einem Bild zweier Brautpaare von 1912 am Bodensee stehen die Menschen förmlich nebeneinander, blicken ernst, fast leer in unterschiedliche Richtungen, so, als hätten sie nicht viel miteinander zu tun.
Standesinteressen standen im Vordergrund
Das sei nicht nur der Fotografiekonvention dieser Zeit geschuldet, sagt Sabrina Müller, sondern drücke auch den Charakter der Vermählung aus. Zuneigung war bis nach dem Ersten Weltkrieg nur einer von vielen Faktoren, die bei der Partnerwahl Ausschlag gaben. Finanzielle und Standesinteressen standen in Bauern- wie in bürgerlichen oder Handwerkerfamilien im Vordergrund.
Auch modisch verändert sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts etwas. Die dunklen Brautkleider, die frau praktischerweise zu anderen festlichen Gelegenheiten tragen konnte, wichen dem weißen Gewand. Es wurde danach zwar nicht mehr angelegt, hing aber im Schrank wie ein Zeuge dieses angeblich schönsten und im wahrsten Sinne kostbaren Tages.
Das helle Kleid ist noch heute Standard. Im Stil seines Jahrzehnts (in den 60er Jahren kurz, in den 80ern mit Wallerüschen) zieht es sich wie ein weißer Faden durch die Bilder – während die Paarkonstellationen diverser werden, Patchwork- und gleichgeschlechtliche Verbindungen ebenso einschließen, wie den Bund über sozio-kulturelle oder religiöse Grenzen hinweg.
Interessantes offenbart sich in Details. Dass der Mann seine schützende Hand um die Partnerin oder auf ihre Schultern legt, überdauert die Jahrzehnte. Die Geste ist auf Fotos aus der Jahrhundertwende ebenso zu sehen wie auf Bildern von eingetragenen Lebenspartnerschaften 100 Jahre später.
Und wenn auf einem Bild von 1995 ein Fallschirmspringer mit der Champagner-Flasche inmitten der Hochzeitsgesellschaft landet und Vermählungsfeiern heute zum hochpreisigen „Event“ mutieren, dann erinnert das an die Tradition der Hochzeitszüge, bei denen der Aussteuerwagen als Ausweis finanzieller Potenz mitgeführt wurde.
Eine Hochzeit, so scheint es, reicht eben immer und immer noch über das individuelle Band zweier Liebender hinaus.
In der Dauerausstellung des Hauses der Geschichte in Stuttgart ist ein Raum Familienfotos gewidmet. Darin gibt es eine Wand mit Hochzeitsbildern. Auch mit Kindern macht es Spaß, auf den Fotos Geschichten und Geschichte zu entdecken. Infos und Öffnungszeiten findet man au f www.hdgbw.de
Familienfotos im Haus der Geschichte
Dauerausstellung
In der Dauerausstellung des Hauses der Geschichte in Stuttgart ist ein Raum Familienfotos gewidmet. Darin gibt es eine Wand mit Hochzeitsbildern. Es macht auch Spaß, sich die Bilder mit Kindern zusammen anzusehen. Infos und Öffnungszeiten findet man auf der Homepage des Museums