Gegen geplante Leas formiert sich vor Ort oft Widerstand – wie hier bei Ludwigsburg. Foto: 7aktuell.de//Kevin Lermer

Kommunen mit Landeserstaufnahmeeinrichtungen haben bisher keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen müssen – das wird sich ändern.

Auch wenn die Flüchtlingszahlen in den vergangenen Wochen keine neuen Höchststände erreicht haben, das Thema bleibt auf der Tagesordnung, und da ziemlich weit oben. Mittelfristig fehlen im Land rund 9000 Plätze für die Erstaufnahme, das sind deutlich mehr als die 6300, die es bisher gibt. Das hat das dafür zuständige Justizministerium errechnet. Theoretisch bedeutet das, dass rund neun neue Landeserstaufnahmeeinrichtungen (Lea) gefunden werden müssen. Und das hat nicht nur Auswirkungen auf die unmittelbare Nachbarschaft, sondern auf das ganze Land.

Mathematisches Modell als Lösung

Grund dafür ist das sogenannte Lea-Privileg. Das besagt im Grundsatz, dass die Kommune, quasi als Belohnung dafür, dass sie eine Lea auf ihrer Gemarkung gestattet, an anderer Stelle entlastet werden. Im Bereich der Anschlussunterbringung bekommen sie dann keine weiteren Flüchtlinge mehr zugewiesen. Zumindest dann, wenn sie sich ein Privileg mit 100 Prozent gesichert haben, so wie Freiburg, Heidelberg, Karlsruhe oder der Ostalbkreis. In anderen Gebieten wird das Privileg nur zur Hälfte berechnet, teilweise auch nur zu zehn Prozent. Es herrscht Basar-Mentalität.

Das will der im Justizministerium für Flüchtlingsfragen zuständige Staatssekretär ändern. „Wir müssen hin zu mehr Verlässlichkeit“ sagt Siegfried Lorek (CDU) und hat den Vertretern von Städten und Gemeinden ein Papier übersandt, wie das ganze künftig geregelt werden soll. Inhalt des Schreibens ist ein mathematisches Modell, bei dem die Flüchtlingszuweisung der vergangenen fünf Jahre in Bezug zu der Platzzahl in der Lea gesetzt wird. Damit die von Jahr zu Jahr zum Teil stark schwankenden Flüchtlingszahlen zu keinem verzerrten Bild führen, gibt es zudem auch noch eine Berechnung, die die Veränderungen innerhalb von fünf Jahren berücksichtigt. „Das erleichtert allen Kommunen die Planbarkeit“ sagt Lorek.

Hypothetische Rechnung für Stuttgart

Die Höhe des Privilegs hängt damit nicht nur von der Größe der Lea, sondern auch von der Größe der Stadt oder des Kreises ab. Hypothetisch hat das Justizministerium das einmal für Stuttgart gerechnet. Würde die Landeshauptstadt eine Lea mit 1000 Plätzen anbieten, dann würden für die Anschlussunterbringung 19 Prozent weniger Menschen zugewiesen. Mit der logischen Folge: Andere Kreise bekommen mehr.

Wie viel Unterschied das Privileg jetzt schon machen kann, lässt sich erkennen, wenn man die Quote der Flüchtlinge mit der Quote der landesweit zu verteilenden Ukrainer vergleicht. Ukrainer werden wie in vielen Bereichen auch hier extra behandelt. Der Ostalbkreis muss dank der Lea in Ellwangen keine weiteren Asylbewerber aufnehmen, bei den Ukrainern sind es 2,8 Prozent.

Auch Städte sehen Änderungsbedarf

Bei den Städten und Gemeinden stößt die Idee aus dem Justizministerium auf vorsichtige Zustimmung. „Der Gedankengang vom Land ist richtig“, sagt Sebastian Ritter vom Städtetag Baden-Württemberg. Die Städte seien an dem Anhörungsverfahren beteiligt gewesen und sehen den Bedarf einer Änderung – auch wenn manch eine Kommune mit der neuen Regel eventuell schlechter fahre. So könne es bei Karlsruhe sein, dass das bisherige Vollprivileg auf 30 Prozent abrutsche. Als Präsident des Städtetags war der Oberbürgermeister der drittgrößten Stadt im Land allerdings in die Gespräche involviert. Gleichwohl regt der Städtetag noch Änderungen an, zum Beispiel um Situationen auszugleichen, in denen Gemeinden überdurchschnittlich viele Ukrainer beherbergen – zum Beispiel Baden-Baden.

Premiere im Breisgau

Einer der ersten Orte, bei denen die neue Regel ihre Praxistauglichkeit unter Beweis stellen könnte, findet sich in Südbaden. Vor wenigen Tagen hat das Justizministerium mit dem Zweckverband Gewerbepark Breisgau eine Einigung erzielt. Nun wird ganz konkret geprüft, ob und wie dort eine Lea errichtet werden kann. Auf 500 bis 800 Plätze hofft Siegfried Lorek, abhängig davon ließe sich dann auch die Höhe des Lea-Privilegs errechnen. Das gibt das Ministerium wie schon bisher an den Landkreis weiter – wie der es unter seinen Kommunen verteilt, bleibt dann seine Sache