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Höflichkeit ist eine Tugend. Aber dass sie manchmal auch hinderlich sein kann, hat EZ-Reporterin Julia Theermann am eigenen Leib erfahren.
Esslingen - Der Schreiberin dieser Zeilen hat man in ihrer Kindheit eingetrichtert, niemals einem Erwachsenen zu duzen, ohne dazu aufgefordert worden zu sein. Auch mit über 30 hält sie sich noch daran, lässt Menschen, die ihr offensichtlich an Jahren überlegen sind, den ersten Schritt zum Duzen tun.
Doch manchmal nimmt diese abwartende Haltung geradezu absurde Züge an. So hat es beispielsweise volle fünf Jahre gedauert, bis die Autorin ihre heutigen Schwiegereltern zum ersten Mal geduzt hat. Immerhin hatte ihr von den beiden niemand das Du angeboten. Es kam ihnen wohl einfach nicht in den Sinn. Gesiezt hat sie die Eltern des Partners zwar nicht, aber die Wörter „Du“ und „Sie“ hat sie komplett weggelassen.
Starthilfe zum Du
Kürzlich erfuhr sie, dass sie dieses umständliche Verhalten offenbar von den eigenen Eltern geerbt hat. Die lernten kürzlich die Schwiegereltern der jüngsten Tochter kennen. Ein ganzes Wochenende verbrachten sie zusammen – zum Du kam es nicht. „Sie sind älter als wir und haben es uns nicht angeboten“, begründete das der Vater der Autorin. Damit es zwischen den Elternpaaren nicht auch fünf Jahre bis zum Du dauert, schritt die Schreiberin dieser Zeilen kurzerhand ein. Sie sprach die Schwiegereltern der Schwester darauf an und bat darum, dass diese einen förmlichen Duz-Antrag machen. Und siehe da: beim nächsten gemeinsamen Treffen war der Knoten geplatzt und das Du ging allen leicht über die Lippen.
Nicht ganz so verklemmt ist da der Gatte der Autorin: er geht einfach immer vom Du aus. Das Plattdeutsch, einst die Sprache der Wahl unter Vertrauten, unterscheidet auch nicht großartig zwischen Sie und Du. Meistens klappt das auch ganz gut für ihn. Vielleicht, überlegt die Schreiberin dieser Zeilen, könnte sie sich ja – zumindest im privaten Umfeld – ein Stückchen von der Ungezwungenheit des Ehemannes abschneiden.