Renata Januszewska lebt ihren Traum. Foto: avanti

Renata Januszewska war in Oberstenfeld erst Schneiderin. Dann wagte sie einen großen Schritt und eröffnete ein eigenes Atelier. Sie designt und näht manche Kleider auch selbst.

Wer durch die Fensterfronten des Oberstenfelder Brautateliers Reja spickt, der weiß sofort Bescheid: Hier dreht sich die Welt um die großen Feste des Lebens. Viele, oft glitzernde Ball- und Abendkleider in aufregender Farbvielfalt stechen ins Auge. Wer genauer hinschaut entdeckt auch weiße Kleider: Brautkleider für die kirchliche wie standesamtliche Trauung. Daneben sind goldene und silberne Schuhe positioniert. Viele Exemplare in Weiß.

Beim Brautatelier Reja können Frauen in einer Flut schöner Stoffe und Schnitte schwimmen und sich den „schönsten Tag im Leben“ ausmalen. Dass der Hochzeitstag zumindest rein optisch ein Volltreffer wird, dafür sorgt Inhaberin Renata Januszewska. Sie stellt nicht nur eine Auswahl an betörenden Kleidern zur Verfügung, bei der man sich die Augen reibt, sondern auch ihr Know-How als Schneiderin. Sie ist erst zufrieden, wenn die Kundin strahlend den Laden verlässt, weil sie das für sie perfekte Kleid gefunden hat.

Es gibt auch einen sichtgeschützten Bereich

Die große Auswahl aber macht es schwer, gerade bei den Brautkleidern. Ob Hochzeitskleider in A-Linie oder Meerjungfrau, Prinzessinnenkleid oder Fit & Flair, ob elfenbeinfarben, in Champagner oder reinem Schneeweiß, wie es vor allem Frauen mit dunklem Teint bevorzugen – unter all diesen Parametern kann die Kundin wählen.

Schon das Anprobieren der oft schweren Stücke ist eine Freude für sich, die aber Kondition erfordert. Doch die Beratung von Renata Januszewska ist so fesselnd, dass es dann doch mit etwas Motivation weitergeht: Schnitt, Stoffart und Farbe müssen zum Typ und zur Einzigartigkeit einer Frau passen. Die wird von der Figur, der Haut und der Haarfarbe bestimmt. Und weil gerade die Anprobe von Brautkleidern eine gewisse Intimität braucht, gibt es eine zweite Verkaufsebene: Eine Treppe führt hinab in einen sichtgeschützten Bereich.

Dort angekommen hört man beinahe schon die Hochzeitsglocken läuten, so intensiv springt einen das Thema an. Nicht nur Brautkleider in Hülle und Fülle hängen hier übersichtlich geordnet – Blumenmädchen und Trauzeugen werden ebenfalls fündig. Auch niedliche Taufanzüge warten auf ganz junge Kunden.

„Meist sehe ich nach einem oder zwei Kleidern, was der Kundin wirklich steht und welche Vorstellungen sie hat und bringe die entsprechenden Modelle zu ihr“, sagt Januszewska. Die Suche endet erst, wenn beide zufrieden sind: Kundin und Inhaberin. Ist das mal nicht der Fall ist das Talent der Inhaberin gefordert: Schneiderin Januszewska näht ein komplett neu designtes Kleid, das nach den Wünschen der Kundin gestaltet ist. Stoffe besorgt sie ebenfalls.

Die Auswahl ist groß. Foto: avanti

Samstagnachmittags oder mittwochs, wenn der Laden geschlossen hat, ist die Schneiderin dafür unterwegs. „In Mannheim habe ich meine bevorzugte Fundgrube für schöne Stoffe. Viele denken übrigens, so ein maßgeschneidertes Kleid ist viel teurer“, weiß Januszewska, die am Beispiel eines Brautkleids vorrechnet: „Eines von der Stange kostet im Schnitt 1500 Euro, entsprechende Änderungen zwischen 300 und 500 Euro. Da sind wir nicht weit entfernt vom maßgeschneiderten Ergebnis.“

Im November 2018 eröffnete die rührige Schneiderin ihr Atelier. Bekannt war sie den Oberstenfeldern da längst, denn Januszewska hatte nebenan eine Änderungsschneiderei. „Es ist ein gewagter Schritt“, sagt die in Breslau geborene 49-Jährige. „Die Ware ist nämlich sehr teuer und muss finanziert werden. Da ich alleinerziehend war, war mir der Schritt, einen Laden zu führen, dann doch zu riskant“.

Interesse am Schneidern kehrt überraschend zurück

Das änderte sich, als die Söhne volljährig waren. „Von da an schielte ich immer nach einem geeigneten Objekt“, berichtet die Schneidern, die früh mit Stoff und Nadeln in Berührung kam. „Schon als Kind bekam ich Stoffreste von meiner Mutter, die ich dann zu einer Puppe verarbeitete.“ Januszewska stammt aus einer Schneiderinnen-Dynastie: Oma, Großtante und die eigene Mutter waren bereits dem Handwerk verpflichtet.

Als es um die Berufswahl ging hatte die junge Renata aber kein Interesse mehr. Sttattdessen besuchte sie die Handelsschule, um dann in einem Konfektionsgeschäft zu arbeiten. „Überraschend wurde mein Interesse für das Schneidern wieder geweckt, als ich von einer Kundin gefragt wurde, ob ich Modelle mit ihr machen wolle. Also Prototypen für die Damenbekleidung, die für den deutschen Markt gedacht waren.“ Die junge Frau willigte ein und war gut ausgelastet mit Arbeit.

Da ihre Ehe in Polen anders verlief als gedacht, ließ sie sich scheiden und zog mit ihren zwei Söhnen nach Deutschland, wo sie ihren Lebensunterhalt mit der Änderungsschneiderei und dem Nähen von maßgeschneiderten Stücken verdiente. „Bis heute kann ich ausschließlich Damenbekleidung nähen. Nicht für Herren, die Schnitte sind komplett anders“, sagt sie leicht verlegen.

Dass sie rechtzeitig erfuhr, dass im Nachbarhaus ein Laden frei wird, war ein Glücksfall. Ebenso, dass der Gemeinderat zustimmte. Allerdings wurde sie wenig später vor eine harte Prüfung gestellt: „Nachdem das erste Jahr erfreulich gut gelaufen war, stoppte Corona die Entwicklung schlagartig und gefährdete mein Dasein. Viele Leute verschoben ihre Hochzeit oder heirateten im kleinen Rahmen.“ Nachdem die Pandemie halbwegs verdaut war, kam der Krieg in der Ukraine und eine spürbare Verschlechterung der Wirtschaftslage. „Es ist nach wie vor sehr schwierig“, sagt Renata Januszewska. Doch einen Traum gibt man nicht so schnell auf.