Führer und Filmerin: Adolf Hitler und Leni Riefenstahl Foto: NARA/Heinrich Hoffmann

Vielen gilt sie bislang als Genie im Pakt mit dem Teufel: Hitlers Hoffilmerin Leni Riefenstahl. Schließlich lieferte sie dem Diktator seine schicksten Propagandafilme, „Triumph des Willens“ etwa. Eine Arte-Dokumentation will Riefenstahl jetzt als bloße Diebin fremder Leistungen entlarven.

Stuttgart - Selbstherrlich, verbohrt und kaltschnäuzig war Leni Riefenstahl bis zum letzten Atemzug. Die 2003 im Alter von 101 Jahren Verstorbene, deren Propagandafilme dem Naziregime Glamour und den Anstrich schicker Modernität verliehen hatten, sah sich nie als Schuldige. Immer wieder wird sie deshalb als dämonisches Genie gezeichnet, als Großmeisterin der Filmsprache, die ihre Seele dem Teufel verkauft hatte. Der Einfluss ihrer Werke auf die spätere Werbe- und Videoclip-Ästhetik kann zum Beispiel gar nicht überschätzt werden.

Die einstündige Arte-Doku „Leni Riefenstahl – Das Ende eines Mythos“ will aber nicht nur die tiefe Verstrickung der nach eigener Aussage völlig Unpolitischen in braune Ideologie und Machtpolitik nachzeichnen. Der Regisseur Michael Kloft möchte Riefenstahl künstlerisch herabstufen. Er sieht in ihr keine Innovatorin, sondern eine Plagiatorin, eine verschlagene Hochstaplerin, die sich fortwährend fremde Leistungen aneignete.

Kein Anteil am Rampenlicht

Neu ist dieser Blick auf Riefenstahl nicht. Schon lange ist unter Filmwissenschaftlern und Cineasten Konsens, dass Riefenstahl viele Ideen und Techniken der Regisseure Arnold Fanck und Béla Balász übernahm und dass auch später ein nicht unerheblicher Teil ihres Talents darin bestand, sich die Talente anderer nutzbar zu machen. Dass sie diesen Menschen keinen Anteil am Rampenlicht gönnte, ist bezeichnend für ihren Charakter, aber noch keine neue Erkenntnis.

Immerhin zeichnet es gute Regisseure grundsätzlich aus, dass sie erkennen, wann ein Cutter oder ein Kameramann die besseren Ideen hat als sie selbst. Alles stimmig unter einen Hut zu bringen, zu erkennen, welcher gute Einfall anderer zur eigenen Vision passt und welcher sie stören würde, ist auch ein Talent. Kloft geht also ein, zwei Schritte weiter. Er legt nahe, dass den so brillanten wie schaurigen Parteitagsfilm „Triumph des Willens“ in wichtigen Elementen allein der Kameramann Willy Zielke zu verantworten hatte.

Indizien, aber keine Beweise

Das ist schon deshalb ein wenig schräg, weil Riefenstahl gerade bei diesem Film fraglos auch viele andere abgeschöpft hat. den Regisseur Walter Ruttmann etwa, der den wichtigen, bis heute frischen Avantgardefilm „Berlin – Die Sinfonie der Großstadt“ (1925) gedreht hatte und als einer der Autoren viel zum Parteitagsfilm beitrug. Zielke war auch gar nicht der leitende Kameramann, diese Position hatte Sepp Allgeier inne, den Riefenstahl seit ihren frühen Schauspielerinnentagen kannte und dessen Ideen und Kenntnisse sie ebenfalls großzügig abschöpfte.

Kloft trägt Indizien zusammen, dass Zielkes Unterbringung in der Psychiatrie nach einem Nervenzusammenbruch von Riefenstahl erpresserisch ausgenutzt, vielleicht gar orchestriert wurde. Geschickt flankiert er die Hinweise darauf mit Aussagen der Riefenstahl-Kennerinnen Nina Gladitz und Eva Hohenberger, die Riefenstahls generelle Skrupellosigkeit belegen. Auf die Schlussfolgerungen von Gladitz’ gerade erschienenem Buch „Lena Riefenstahl: Karriere einer Täterin“ stützt der Film sich weitgehend. Aber den letzten Beweis dafür, dass da bloß eine Räuberin am Werk war, können Kloft und Gladitz nicht erbringen. Riefenstahl war wohl kein Genie, aber vielleicht doch eine Frau mit Blick für den Film. Man wird damit leben müssen, dass auch so jemand sich dem Bösen verschreiben kann.

Ausstrahlung: Arte, Mittwoch, 18. November 2020, 22.15 Uhr. Bereits jetzt in der Mediathek des Senders.