Wilhelmine Ehrhardt aus Eisenach am Steuer: Frauen waren von Beginn an Teil der Automobilgeschichte. Foto: Arte/AWE Stiftung Eisenach

Arte blickt mit zwei Dokus auf die Automobilgeschichte: auf Frauen und PS und auf Autos im Sozialismus.

Zylinderfreaks, Benzinblütler – wie immer sich Autobegeisterte nennen oder schimpfen lassen müssen, sie alle schwärmen vom selben Mythos: das Automobil sei Symbol und Verwirklicher individueller Freiheit. Was erklären könnte, weshalb der real existierende Sozialismus von einst solche Schwierigkeiten mit der Fertigung von Autos hatte. Der Sozialismus quälte sich da in den Fabrikhallen quasi mit dem Gegenentwurf zu sich selbst ab.

Die Deutung, dass da in der tiefsten Hölle eine Flaschenabfüllung für Weihwasser ans Laufen gebracht werden sollte, klingt zwar für manchen überzeugten Kapitalisten völlig überzeugend. Aber die Dokumentation „Autos im Sozialismus – Freiheit auf vier Rädern“ von Georgi Bogdanov und Boris Missirkov, Teil eines kleinen Mobilitätsabends bei Arte, erinnert daran, dass die sozialistischen Planer das ganz anders empfanden. Sie versuchten, auch im Automobilbau die angebliche Überlegenheit ihres Systems darzustellen, sie waren der individuellen Freiheit des Autofahrens gar nicht abgeneigt. Vermutlich, weil sie begriffen, dass die Wide-Open-Highway-Romantik selbst in den USA eine Schimäre war, dass Autofahrer immer gut einfangbar blieben.

Frauen waren früh am Steuer

Was den einen Beitrag des Abends mit dem anderen verbindet, mit der Doku „Tempo, Mut, Erfindungskraft – Frauen in der Geschichte des Autos“, ist das Aufgreifen einer Spottperspektive. Frauen und Autos passen ja laut Herrenwitz so wenig zusammen wie Sozialismus und Autos. Es bräuchte auf diese Dreistheit zwar keine Erwiderung mehr, aber der Film von Anna Schmidt möchte zeigen, wie gründlich der Männergeist die Geschichte des Automobils retuschiert hat. Schmidt ruft Pionierinnen der Autogeschichte auf, zeigt sie anders denn als Frau an der Seite von Erfinderleuchten und Fabrikpatriarchen. Bertha Benz war eine couragierte Anwältin der noch verfemten Kraftdroschke, Louise Sarazin machte in Frankreich das Auto hip, als die Deutschen noch auf das Pferd setzten, Sophie Opel zog die Marke erst groß.

Beide Dokumentationen teilen aber auch eine Schwäche: Sie füllen zu viel Zeit mit komfortabel erhältlichen Bewegtbildern von heute. Die eine zeigt immer wieder beliebige aktuelle Verkehrbilder und gibt noch interviewbaren Rallyefahrerinnen einen leichten Vorzug gegenüber nur aus dem Fotoarchiv aufrufbaren historischen Persönlichkeiten. Die andere erzählt zu viel von der Restaurierung alter Ostblock-Fahrzeuge. Wo sich doch schon über die hier besonders vorgestellten Saporoshez-Modelle, Mischungen von Fiat 600 und NSU Prinz mit Kleinigkeiten aus der russischen Panzertechnik, noch viel Interessantes erzählen ließe. Aber TV-Dokus sollen ja immer auch Lust aufs Weiterforschen machen.

Auto-Abend bei Arte. Donnerstag, 30. Juni 2022; „Tempo, Mut, Erfindungskraft“ 20.15 Uhr, „Autos im Sozialismus“ 21.05 Uhr. Abrufbar in der Arte-Mediathek bis 27.09. 2022 – „Tempo, Mut, Erfindungskraft“ – hier und bis 13.08. 2022 – „Autos im Sozialismus“ – hier.