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Stilprägend ist ein Begriff, den Architekt Matthias Burkert bei der Baustellenbesichtigung häufig verwendet: Vieles wird beim Alten bleiben in dem sanierten Mineralbad Berg.

StuttgartAm heißesten aller bisherigen Stuttgarter Junitage lässt es sich gut vom kühlen Wasser des Mineralbads Berg träumen. Das dachten sich etwa 100 Interessierte, die bei tropischen Temperaturen einer Einladung des Vereins zur Förderung von Architektur, Engineering und Design in Stuttgart (aed) gefolgt sind, um bei einem Rundgang über die Dauerbaustelle sich selbst ein Bild über das künftige „Neuner“ zu machen.

Bis auf weiteres bleibt der großen Fangemeinde des traditionsreichen Mineralbads, die seit dessen Schließung im September 2016 im Wortsinn auf dem Trockenen sitzt, zwar nichts anderes übrig, als weiter zu träumen. Für eingeschworene „Bergianer“ hatte Matthias Burkert dennoch ein gute Nachricht parat: „Der Eröffnungstermin 1. Mai 2020 ist, Stand heute, absolut realistisch“, so der geschäftsführende Gesellschafter des Stuttgarter Architekturbüros 4a Architekten, der die Führung leitete.

Neue Bohrung

Die beiden Worte „Stand heute“ könnten noch von großer Bedeutung werden. Denn die auf Schwimmbäderbau spezialisierten Architekten können zwar den Fortgang der Bau- und Sanierungsmaßnahmen an den Gebäuden und den Beckenbereichen ziemlich verlässlich prognostizieren. Doch welche Unwägbarkeiten die ausstehenden Reparaturen zweier tief liegender Mineralquellen noch bringen, steht in den Sternen. Die Sanierung der Südquelle habe bereits begonnen, die der Westquelle, die eine neue, aufwendige Bohrung notwendig macht, folge in Kürze. Sicher ist: „Für die Sanierung der Westquelle muss noch eine Treppe abgerissen werden, sonst kommt der Bohrer nicht ran“, erklärt Burkert.

Bei langjährigen „Bergianern“, die das 163 Jahre alte Bad traditionell nach seinem Gründer „Neuner“ nennen, scheint das Thema Quellen ohnehin eines der Reizthemen im Rahmen der 34 Millionen Euro teuren Sanierung zu sein. Nicht strittig ist, dass die Erneuerungen der Quellenfassungen notwendig war und das Projekt sich deshalb gegenüber den ursprünglich avisierten 30 Millionen Euro verteuert hat. Aber „der Wasserstrom der verschiedenen Quellen wird im Außenbecken nach der Sanierung nicht mehr spürbar sein“, so Burkert. Aus hygienischen Gründen müsse das Wasser künftig zusammengefasst und über eine Leitung gesammelt ins Becken eingespeist werden. Eine Stammbesucherin betonte, dass „es etwas ganz Besonderes war, das unterschiedliche Quellwasser im Becken zu erspüren“.

An Beispielen wie diesem wird die Befürchtung vieler Stammgäste greifbar, dass „ihr“ Bad nach der Modernisierung nicht mehr das alte sein könnte. Als Matthias Burkert an Bauplänen und Bildern darlegt, wie viel Neues und wie viel Altes in der künftigen Anlage steckt, konnte es tatsächlich manchem Traditionalisten bange werden: Bewegungsbad – neu, Außenbecken – neu, Foyer – neu.

Die Reihe kann fortgesetzt werden. Weshalb Burkert immer wieder den Begriff „stilprägend“ ins Spiel bringt. Soll heißen, dass doch vieles so bleibt, wie es war. Von den Treppengeländern über die lang gezogenen Balkone im ersten Stockwerk bis hin zu den hölzernen Umkleidekabinen. Auch die im Foyer in die Decke eingelassene Glaskunst von Max Ackermann sowie das von Bert Hundhausen gestaltete Buntglasfenster im Bewegungsbad werden restauriert und wieder an den gewohnten Stellen eingebaut. Ebenso die von Bergianern geschätzte geschlechtergetrennte Sauna. Stilprägend, betonen die Architekten, seien auch die schlanken Trägerkonstruktionen, die in ihrer bisherigen Form erhalten bleiben. Im Außenbecken werde es künftig eine Beleuchtung geben. „Dennoch wird mit dunklen Fliesen der alte Teichcharakter bewahrt bleiben.“

Schwierigkeiten wird die gastronomische Versorgung machen. Das neue Gebäude für die Außengastronomie, die früher in der sogenannten Villa Blankenhorn untergebracht war, kann vorerst nicht gebaut werden. „Da steht alles still, bis über die Petition entschieden ist“, sagt Burkert. Die Petition gegen den Abriss der Villa hatte ein Bürgerverein beim Landtag eingereicht. Eine Entscheidung steht dort aus. Die kleine Küche im Badgebäude „wird den Sommerbetrieb alleine nicht packen“, sagt Burkert. Auf dem Außengelände werde es wohl eine Zwischenlösung mit Containern geben. Schön ist anders. Das Resümee eines Stammgastes, der seit 50 Jahren im „Neuner“ seine Runden dreht, ist dennoch versöhnlich: „Es sieht, finde ich, alles in allem ganz gut aus.“